Suchmenü einblenden

Blog


Fr 27 Jan Ich möchte mit einer - stark verfremdeten - Fallvignette beginnen und dann einige theoretische Überlegungen zu Aspekten der positiven Aggression in der Gruppe anstellen: Carla ist 29 Jahre alt und seit mehreren Jahren in der Gruppe, sie leidet seit geraumer Zeit an einer schweren Depression, die zu einem Gutteil mit dem nicht beachtet werden als kleines Kind zu tun hat. Sie ist gerne in der Gruppe, meldet sich jedoch eher wenig und wenn dann nur kurz zu Wort, sitzt oft abendelang da und lässt den anderen Gruppenmitgliedern den Vortritt. Als bisherigen Gewinn der Gruppenarbeit sieht sie es an, dass sie sich freier in der Gruppe ausdrücken kann und dass sie sich von den anderen Gruppenmitgliedern respektiert fühlt. Nach einer längeren Absenz von der Gruppe während der sie ihr bescheidenes Befinden schon kundgetan hat, zeigte sich Carla in ganz neuer Art und Weise: Die Gruppe begann mit einer Vorstellrunde gegenüber einem neuen Gruppenmitglied, bei der Carla mich aufhorchen lies, da sie eine Unterbrechung einer anderen Frau während ihres Statements klar und bestimmt zurückwies. Das kannte ich bislang nicht von ihr und weckte meine Neugierde. Nach der Vorstellrunde meldete sie sich gleich wieder zu Wort, was bisher selten vorkam und erzählte in schwerer, depressiver Tonlage wie sehr sie in der letzten Zeit unter der Depression litt. Die Stimmung in der Gruppe erlitt in Resonanz mit den geschilderten Emotionen eine Talfahrt, einige nickten ein und die Sitzpositionen verflachten sich. Eine andere Frau bemerkte, wie sehr sie das Erzählte runterziehe. Carla verteidigte sich, da sie „ja nichts tun könne und diesen Zuständen so hilflos ausgeliefert sei“. Ihr Gesichtsausdruck war schmerzverzerrt, somit warf ich ein „du siehst aus als würde Dich jemand würgen!“. Carla bestätigte dies und meinte auf meine Nachfrage hin, wer sie denn würge, dass dies das Schreckgespenst der Depression sei und dass sie das nicht mehr möchte. Ich warf mein ...

Mo 24 Aug Leben wie ein Baum, einzeln und frei, doch brüderlich wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht. (Nâzım Hikmet) Die wissenschaftliche Psychologie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ordnung in die scheinbar unüberschaubare Vielfalt der Menschen zu bringen. Denn die Vielfalt dieser Welt und der Menschen ist uns nicht nur Freude, sondern auch Last. Bei so viel Unterschiedlichkeit entsteht schnell das belastende Gefühl von Verwirrung und Ausgeliefertsein. Das ist mit ein Grund, warum im Menschen schon früh das Bedürfnis entstand, Ordnungssysteme zu konstruieren, Vereinfachungen und Typologien. So wurden beispielsweise schon in der griechischen Antike vier Temperamente unterschieden, der Choleriker, Sanguiniker, Phlegmatiker und Melancholiker. Das System wird Empedokles zugeschrieben und wurde von Galen weiterentwickelt. Möglicherweise ist es aber ägyptischen Ursprungs, also noch wesentlich älter. Die Temperamente-Lehre gilt heute wissenschaftlich als überholt und doch gibt es auch heute zahlreiche psychologische Typologien, die auf dieser Zahl Vier beruhen. So etwa die vier Typen C.G. Jungs (2006), der Fühl-, Denk-, Empfindungs- und Intuitionstypus, des Weiteren die vier Grundformen der Angst von Fritz Riemann (2003) oder auch die vier Grundbedürfnisse von Klaus Grawe. Riemann unterschied vier Grundformen der Angst, nämlich den schizoiden Typus, der Angst vor der Hingabe hat, den depressiven Typus, der Angst vor der Selbstwerdung hat, den zwanghaften Typus, der Angst vor Veränderung hat und den hysterischen Typus, der Angst vor den Notwendigkeiten und Gesetzmäßigkeiten des Lebens hat. Diese Typologie scheint als grobe Orientierung sehr bedeutsam für viele Psychologen und Psychotherapeuten zu sein, liegt das Buch "Grundformen der Angst" doch mittlerweile in der 41. Auflage vor. Noch nicht ganz so alt ist das Modell der vier Grundbedürfnisse von Klaus Grawe (2004). Er meinte, dass der Mensch vier Grundbedürfnisse hätte, nämlich das Bedürfnis nach ...
Abwehrmechanismus Angst Grundbedürfnis Kontaktunterbrechung Typologie   Permalink

Do 14 Aug Weitaus die meisten Klientinnen*) kommen in eine Psychotherapie oder Beratung, weil sie ein Problem oder Symptom los werden wollen. Das könnte etwa so klingen: "Ich habe einen Job, der mir Freude macht, eine Beziehung, die ich überaus befriedigend finde und keine Schulden. Wenn da bloß diese Panikattacken nicht wären!" Die Idee der Klientin ist dann meist, dass nur dieses eine Symptom beseitigt werden müsse und alles wäre wieder in Ordnung. Diese Einstellung oder Haltung ist keine Frage der Intelligenz, sondern Folge einer völlig falschen "Erziehung" durch unser Gesundheitssystem. Ich möchte daher im folgenden zwei Personengruppen unterscheiden, nämlich die Gruppe der Patienten, die passiv Behandlung erwarten und die Gruppe der Klienten, die selbst etwas möchten und zumindest eine Idee davon haben, dass sie für ihre Schwierigkeiten und Symptome mitverantwortlich sind. Auch im Falle somatischer Erkrankungen erwarten einige Patienten, dass ihr einziger Beitrag zu ihrer Gesundung das Bereithalten ihrer e-card ist und den Rest der Arzt erledigen würde. Viele Ärzte mögen diese Haltung sogar noch unterstützen, etwa wenn sie bei Rückenschmerzen Spritzen verabreichen und nicht einmal darauf hinweisen, dass Physiotherapie, mehr Sport, regelmäßige Gymnastik, um Fehlhaltungen vorzubeugen, Psychotherapie und gesündere Ernährung weitere Möglichkeiten sein könnten, die Rückenschmerzen zu therapieren. Auch finanzielle Überlegungen mögen dabei eine Rolle spielen, schließlich verdient der Arzt mit so einer Spritze mehr als mit einer Überweisung zur Physiotherapie. Der grundsätzliche Denkfehler hier ist, dass immer noch zwischen somatischen und psychischen Erkrankungen unterschieden wird. Eine Überzeugung, die meiner Meinung nach nicht nur falsch ist, sondern den Selbstheilungskräften und der Eigenverantwortung von Klienten sogar entgegen wirkt. Schon Erwin Ringel hat gesagt, es gäbe nur psychosomatische Erkrankungen und solche, von denen wir noch nicht wüssten, dass sie psychosomatisch seien. ...
Klient Patient Psychosomatik   Permalink

Mi 30 Apr Es ist nicht entscheidend, was ich sage, sondern was der andere hört. (Martin Buber) Viele Menschen scheinen Harmonie und Frieden als sehr wichtigen Wert zu betrachten, insbesondere in ihren persönlichen Beziehungen. Und manchmal will es mir scheinen, dass wir hier in Österreich in einer besonders konfliktarmen oder konfliktscheuen Gesellschaft leben. Dabei ist es gerade die Auseinandersetzung, der Konflikt, ja unter Umständen sogar der handfeste Streit, der uns Weiterentwicklung ermöglicht und uns ein Gespür für uns selbst vermittelt. Stellen wir uns einen Roman vor, in dem niemals gestritten wird und immer nur Harmonie herrscht. Vermutlich würde niemand ein solches Buch kaufen wollen. Gute Geschichten leben ebenso sehr von Missverständnissen und Konflikten wie gute Beziehungen, seien sie nun beruflicher oder privater Natur. Das bedeutet nun nicht, dass wir ununterbrochen streiten müssen, es bedeutet aber, dass Konflikte, wo sie auftauchen, zur Sprache kommen müssen, damit wir uns weiterentwickeln können. In der Reibung und Auseinandersetzung mit anderen Menschen lernen wir nicht nur etwas über den anderen, sondern auch über uns selbst. Völlige Konfliktvermeidung resultiert häufig aus Angst und schadet Beziehungen oft mehr als sie nützt. In der Gestalttherapie kennen wir den Abwehrmechanismus oder die Kontaktunterbrechung der Konfluenz. Das Wort kommt vom lateinischen Wort confluere und bedeutet „zusammenfließen“. Als Konfluenz bezeichnet man deshalb den Vorgang des Ineinanderfließens zwischen zwei oder mehr Menschen. Es kommt zu einem Verlust der Wahrnehmung oder der Leugnung von Unterschieden zwischen Menschen. Die typische Folge davon ist, dass sie nicht länger verschiedener Meinung sind und sich gegeneinander reiben können. Der kreative Konflikt oder einfach der gute Kontakt wird für routinehafte Interaktionen aufgegeben, die flach, statisch und sicher sind (Zinker, 1982). Sind wir mit anderen Menschen konfluent, so fehlen uns die Kontaktgrenzen gegenüber der Umwelt. ...
Gestalttherapie Konflikt Konfluenz   Permalink

Mo 24 Feb Kein Mensch muss müssen! Man ist niemandem in der Welt etwas schuldig, als sich selber.   (Gotthold Ephraim Lessing) Wahrscheinlich 90% von dem, was wir glauben tun zu müssen, ist eine Ausrede, um keine Verantwortung für unser eigenes Leben übernehmen zu müssen. Bei den „Müssens“ und „Sollens“ in unserem Kopf handelt es sich meistens um Introjekte, die uns das Leben eher erschweren als erleichtern. Als Introjektion bezeichnet man den Vorgang, den man metaphorisch als „unzerkaut schlucken“ umschreiben könnte. Regeln, Vorschriften, Wünsche von Eltern, Vorgesetzten oder Lehrern werden einfach übernommen, ohne zu beurteilen, ob sie für uns passend oder verdaulich sind. Es ist dies die natürliche Art, wie Kleinkinder Dinge annehmen. Das Kind „schluckt“ zunächst alles, was ihm dargeboten wird. Ein Introjekt ist also ein geistiger Inhalt, der wie ein unzerkautes Lebensmittel, schwer im Magen liegt, also sinnlos nachgebetet wird, ohne wirklich in unsere Persönlichkeit assimiliert worden zu sein. Das Introjekt ist dabei die Regel, die wir jeweils übernommen haben, z.B. das „Du sollst nicht bei Rot über die Kreuzung gehen!“, „Sei immer schön freundlich“, „Grüße jeden“, „Du darfst niemals jemanden verletzen", etc. Introjektion gehört neben Projektion, Retroflektion, Deflektion und Konfluenz zu den sogenannten Kontaktunterbrechungen in der Gestalttherapie. Um den vollen, aktiven Kontakt mit der Umwelt zu vermeiden, verhält sich das introjizierende Individuum völlig passiv gegenüber seiner Umwelt und verwendet sehr wenig Mühe darauf, seine Bedürfnisse und Wünsche zum Ausdruck zu bringen. (Polster, 2001) Manche dieser Introjekte waren zu einem bestimmten Zeitpunkt unseres Lebens durchaus sinnvoll. Wenn beispielsweise ein kleines Kind im Alter von 5 Jahren bei Rot über die Kreuzung gehen würde, würde es wahrscheinlich nicht sehr lange überleben. Viele ...
Introjekt Introjektion Kontaktunterbrechung   Permalink

So 22 Dez Veränderung geschieht dann, wenn jemand wird, was er ist und nicht dann, wenn er versucht zu werden, was er nicht ist. (Arnold Beisser) Die Integrative Gestalttherapie gehört zu den humanistischen Psychotherapiemethoden und ist eine von über 20 anerkannten Psychotherapie-Methoden in Österreich. „Gestalt“ bedeutet Ganzheit. So ist etwa ein Kreis oder ein Quadrat eine Gestalt. Laut den Erkenntnissen der Gestaltpsychologie neigen wir Menschen dazu, „gute Gestalten“, also vollständige, geschlossene Gestalten zu bevorzugen. Gestaltgesetze, d.h. mutmaßliche Regeln für die Wahrnehmung einer Gestalt sind dafür verantwortlich, was wir als Ganzheit oder gute (angenehme) Gestalt empfinden und was nicht. Dazu zählen etwa: das Gesetz der Prägnanz das Gesetz der Nähe das Gesetz der Ähnlichkeit das Gesetz der Kontinuität das Gesetz der Geschlossenheit das Gesetz der gemeinsamen Bewegung und das Gesetz der fortgesetzt durchgezogenen Linie So wird etwa ein Element als Gestalt wahrgenommen, das sich von anderen Elementen durch ein bestimmtes Merkmal abhebt (Gesetz der Prägnanz). Oder Elemente, die näher zusammen liegen, werden auch als zusammengehörig wahrgenommen (Gesetz der Nähe). Linien, die eine gemeinsame Fläche umschließen, werden als Einheit aufgefasst (Gesetz der Geschlossenheit), etc. In der Gestalttherapie gehen wir davon aus, dass diese Gesetze auch für das psychische Erleben gelten. Wenn Sie sich etwa im Fernsehen einen Krimi ansehen und die letzten 20 Minuten verpassen, so wird Sie dieser Krimi weit länger beschäftigen, als wenn Sie ihn sich fertig angesehen hätten. Wahrscheinlich wird Sie der Krimi sogar im Traum verfolgen. Ganz einfach deshalb, weil die Gestalt (des Krimis) nicht geschlossen wurde. Das Gehirn muss sich weiter damit beschäftigen. Im Falle einer geschlossenen Gestalt, würde der Krimi quasi in Ihrem Gehirn „zu den Akten“ gelegt. In Beziehungen mit Menschen ergeht es uns ähnlich. ...
Gestaltpsychologie Gestalttherapie   Permalink

Fr 4 Okt Was Peter über Paul sagt, sagt oft mehr über Peter als über Paul. Wenn wir über andere Menschen sprechen, sagen wir damit immer auch sehr viel über uns. Oft ohne uns dessen bewusst zu sein. Diesen psychologischen Mechanismus nennen wir in der Psychologie Projektion. Das Wort kommt vom lateinischen proicere und bedeutet vorwerfen, hinwerfen, wegwerfen. Und genau darum geht es in der Projektion, etwas wird hinausgeworfen oder vorgeworfen. Projektion ist allgegenwärtig. Wenn wir auch nur einen Fuß auf die Straße setzen oder eine Tageszeitung aufschlagen oder uns an unserem Arbeitsplatz mit KollegInnen und KundInnen konfrontiert sehen, begegnet sie uns unentwegt. Ununterbrochen werden andere dafür beschuldigt, dass irgendetwas in der Welt nicht so funktioniert, wie wir das gerne hätten. Da wird etwa über die Faulheit der Politiker gejammert oder über die Gier der Banker oder die Rücksichtslosigkeit in unserer Gesellschaft. Dabei sollte uns bewusst sein, dass alle diese Klagen etwas mit uns selbst zu tun haben. Denn Projektion bezeichnet den Mechanismus, dass ich etwas, das ich bei mir selbst nicht sehen kann, in meiner Umwelt wahrnehme. Derjenige Mensch, der beispielsweise Aggression projiziert, wird sich ständig darüber beklagen, wie aggressiv alle Menschen in seiner Umgebung sind. Sich selbst hält er dabei für den friedliebendsten Menschen der Welt. Jede Projektion enthält auch ein Körnchen Wahrheit. Um beim genannten Beispiel zu bleiben: der Aggression Projizierende projiziert nicht nur seine (unbewusste) Aggression in die Umwelt, er findet dort auch tatsächlich Aggression, allerdings wahrscheinlich nicht in dem Ausmaß, in dem sie vom Betroffenen gesehen wird. Und so sind Projektionen im therapeutischen Prozess oft nur dadurch erkennbar, dass viel unangemessener Affekt mit ihnen verbunden ist. Die Psychoanalyse versteht unter Projektion die Verlagerung eines innerpsychischen Konflikts auf andere Menschen oder Menschengruppen. Die Projektion gehört damit zu den Abwehrmechanismen. ...
Abwehrmechanismus Kontaktunterbrechung Projektion Schatten   Permalink


Sie sind hier: Startseite

Weitere bestNET.Portale

powered by T3consult
Datenschutz-Erklärung