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Fachartikel


Psychoedukation
von Andrea Viktoria Lang & Christian Simhandl

Grundsätzliches
Unter Psychoedukation versteht man Aufklärung und Information der Betroffenen und ihrer Angehörigen über eine Erkrankung, die Symptome, die diagnostische Einteilung, die Ursachen, den Verlauf und die Behandlungsmöglichkeiten. Das Spektrum der psychoedukativen Angebote reicht von reiner Informationsvermittlung bis hin zu psychotherapeutisch orientierten Maßnahmen. Psychoedukation basiert auf einem verhaltenstherapeutischen Konzept mit einer klar festgelegten Struktur in Bezug auf den zeitlichen Aufwand und die inhaltliche Gestaltung.
Vorrangige Ziele der Psychoedukation sind neben der Wissensvermittlung, einen verantwortungsvollen Umgang mit der Erkrankung und der Medikation, aber auch mit sich selbst und der Umwelt (Simhandl & Mitterwachauer, 2007) zu erlangen. Rückfälle und stationäre Aufnahmen sollen dadurch verzögert oder ganz vermieden werden.


Für welche Personengruppen ist die Psychoedukation wichtig?
Edukative Trainingsprogramme wurden nicht nur für Menschen mit psychischen Störungen und deren Angehörige entwickelt, sondern kommen auch bei somatisch Erkrankten wie z.B. im Bereich der Diabetes- und Hypertonieerkrankungen zur Anwendung. Ursprünglich wurde die Psychoedukation im psychiatrischen Bereich speziell für Menschen aus dem schizophrenen Formenkreis entwickelt. Aufgrund der durch wissenschaftliche Studien belegbaren Erfolge von Psychoedukationsseminaren bei schizophren erkrankten Menschen (Bäuml et al., 1993) wurden spezielle Trainingsprogramme auch für andere psychische Störungen wie Depressionen, Panikattacken oder Bipolare Affektive Störungen entwickelt.
Als Basis für die Vermittlung von Psychoedukation für Menschen mit psychischen Störungen stehen krankheitsspezifische Manuale zur Verfügung. Von Bauer & McBride (2003) stammt ein aus zwei Modulen bestehendes Behandlungsprogramm mit psychoeduktiven, kognitiv- verhaltenstherapeutischen und interpersonellen Bestandteilen.
Psychoedukation kann auch in Form von Angehörigengruppen durchgeführt werden. Zentrales Anliegen von Angehörigengruppen ist nicht nur die Informationsvermittlung, sondern auch die Bearbeitung spezieller Probleme von Angehörigen, welche diese zum Beispiel im Umgang mit den Betroffenen erleben.


Psychoedukationsmanuale
Im deutschsprachigen Raum wurde 2003 ein Manual für Psychoedukation bei Depressionen von Pitschel-Walz et al. (2003) veröffentlicht und 2004 erschienen zwei Manuale für Psychoedukation bei Bipolaren Störungen (Schaub et al., 2004, Wagner & Bräunig, 2004). Danach kam das Manual „HOPE“ zur Handlungsorientierten Psychoedukation bei Bipolaren Störungen von Jelley & Elmer (2004) heraus. Das neueste Psychoedukationsmanual stammt von Erfurth et al. (2005). Es ist in folgende sechs Therapiestunden/Module gegliedert: I. Begriffsbestimmung, II. Symptome, III. Verlauf der Erkrankung, IV. Behandlung, V. Ursachen der Erkrankung, VI. Frühwarnsymptome und Gesundbleiben. Die verschiedenen Manuale werden von Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern und Psychotherapeuten aus dem ambulanten wie stationären Bereich angeboten. Die Manuale sind in Form von Modulen unterschiedlich aufgebaut. Die Durchführung in Gruppen bietet wertvolle Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Je nach Programm variiert der zeitliche Umfang zwischen 7 und 21 Sitzungen, wobei die Dauer der einzelnen Sitzungen von 30 bis 90 Minuten schwankt. Als Therapiefrequenz werden wöchentlich stattfindende Einheiten empfohlen. Zur Gewährleistung eines länger andauernden Effektes wird bisweilen angeregt, im Anschluss an das Trainingsprogramm monatlich Informationssitzungen abzuhalten. Die Gruppen können je nach Bedarf offen oder geschlossen geführt werden.
Die Informationen werden in verständlicher Form und im Rahmen von kurzen Frontalvorträgen aufbereitet. Im Mittelpunkt stehen die Aufklärung über Symptomatik mit speziellem Bezug auf Frühwarnsymptome, Erkrankungsursachen, biologische Rhythmen und Tagesstruktur, Planung von Aktivitäten, Umgang mit Stress, Erarbeitung eines Notfallplans, Akut- und Rückfallschutzbehandlung und Informationen über Medikamente. Ein Patientenverlaufskalender, den es in Papierform, aber auch auf Taschenkalendern und sogar für das Handy gibt, soll eine erhöhte Sensibilität und Achtsamkeit gegenüber dem eigenen psychischen und körperlichen Empfinden fördern (Simhandl & Mitterwachauer, 2007). Auslöser für psychische Probleme können dadurch früher erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.


Wie wird Psychoedukation angeboten
Die Durchführung in der Gruppe ermöglicht den unterschiedlichen Umgang, Vorerfahrungen positive wie auch negative – zum Beispiel mittels eines Rollenspiels - gemeinsam zu bearbeiten und einen individuellen Plan für das jeweilige Gruppenmitglied auszuarbeiten. Die Dynamik wird ausgenützt, um der Gruppe ein bestmögliches Erleben der Vorerfahrungen näher zu bringen.
Die Arbeitsmaterialien werden anwenderfreundlich mittels Folien, Handouts und Flip-Charts präsentiert. Zur Unterstützung des Gedächtnisses ist es sinnvoll, den Teilnehmern auch schriftliche Unterlagen zu den einzelnen Themenbereichen auszuhändigen.
Neben der reinen Wissensvermittlung soll im Rahmen der Psychoedukationsseminare zum einen das Bewusstsein der Betroffenen, mit psychischen Krisen kompetent und sicher umgehen zu können und zum anderen die Hoffnung, trotz Erkrankung ein zufrieden stellendes Leben führen zu können, gefördert werden. Psychoedukation ist umso Erfolg versprechender je früher im Krankheitsverlauf sie den Betroffenen angeboten wird.
Weitere umfangreiche Informationen im Zusammenhang z.B. mit Bipolaren Störungen und entsprechenden Behandlungsangeboten sind auf der Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Bipolare Erkrankungen (www.oegbe.at) die von Univ.Prof. Dr. Christian Simhandl vor vier Jahren gegründet wurde, zu finden.
Literatur bei den Autoren erhältlich!
 
Dr. Andrea Viktoria Lang
Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin
Präsidentin der Österreichschen Gesellschaft für Psychiatrie-Erfahrene (ÖGPE)
1230 Wien
Tel: +43-650 7022101
E-Mail: andrea.lang@psd-wien.at
HP: www.psyonline.at/andrea-lang

 AoUniv.Prof. Dr. Christian Simhandl
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin,
Psychotherapeut, ÖÄK Psy III, Lehrpraxis
BIPOLAR ZENTRUM Wiener Neustadt
A-2700, Bahngasse 43
Tel: +43-664-1035351
E-Mail: psychiatrie@simhandl.at
HP: http://www.simhandl.at


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