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Richtlinie des Bundesministeriums für Gesundheit auf Grundlage eines Gutachtens des Psychologenbeirates, veröffentlicht in Psychologie in Österreich Nr. 2/1995, S 55ff und
in den Mitteilungen der Sanitätsverwaltung Heft 7/2001, S 12ff

Inhaltsverzeichnis

1. Präambel
2. Allgemeine Grundsätze
3. Spezielle Grundsätze 4. Grundsätze für das Anbieten psychologischer Dienste und Leistungen in der Öffentlichkeit
5. Grundsätze für Forschung, Lehre und postgraduelle  Weiterbildung 6. Grundsätze für die Beziehung zwischen Psychologen/Innen und Berufskollegen/Innen sowie zu Fachleuten verwandter Berufsrichtungen 7. Abschließende Bemerkungen

1. Präambel

Berufsethische Richtlinien sind notwendig, um die Würde jener Personen zu schützen, die sich PsychologInnen in Diagnostik, Beratung und Behandlung an vertrauen. Zu diesem KonsumentInnenschutz gehört auch die Qualitätssicherung der psychologischen Dienstleistungen und Aktivitäten.

Die ethischen Richtlinien eines Berufsstandes müssen frei von Ideologien bleiben. Sie müssen außerdem auch immer wieder einer kritischen Diskussion und Erneuerungen
gegenüber aufgeschlossen sein: Widersprüche, sprachliche Änderungen oder Unzulänglichkeiten können auftreten und müssen berücksichtigt werden. Eine Berufsethik muss sich insbesondere an der Nützlichkeit orientieren: Die Richtlinien versuchen daher, positive Auswirkungen und Folgen von psychologischen Maßnahmen zu maximieren und negative möglichst auzuschalten. Wenn immer wieder alle Betroffenen mitbedacht werden und eine kritische Prüfung der Praxis stattfindet, kann die Berufsethik lebendig bleiben
und ihr Ziel des KonsumentInnenschutzes und der Qualitätssicherung erreichen.

Grundsätzlich ist die Ausübung des psychologischen Berufes im Bereich des Gesundheitswesens durch den Artikel II des Psychologengesetzes, Bundesgesetz
vom 7. Juni 1990, BGBl.Nr. 360, normiert. Die Standesregeln bilden in Form eines Berufskodex eine Ergänzung und Konkretisierung der im Psychologengesetz festgelegten Berufspflichten und dienen auch der Wahrung und Förderung der Standesethik der PsychologInnen.
2. Allgemeine Grundsätze

Der/die Psychologe/in trägt dazu bei, das Wissen und das Verständnis des Menschen für sich selbst und für andere zu vertiefen. Er/sie achtet die Würde des anderen; er/sie vermeidet Handlungen und Äußerungen, welche diese Würde verletzen könnten; er/sie
erkennt allen Menschen das Recht auf Wahrung ihrer Würde zu.

Der/die Psychologe/in kann auf Mängel, die Verhaltensnormen und gesellschaftliche Werte in psychologischer Hinsicht aufweisen, aufmerksam machen. Er/sie kann geeignete Verbesserungen vorschlagen und Bestrebungen unterstützen, welche zur Persönlichkeitsentfaltung jedes Einzelnen beitragen. Die psychologische Tätigkeit versteht sich nicht als einseitige Anpassung des Individuums an die Gesellschaft.

Der/die Psychologe/in übt seinen/ihren Beruf, Forschung, Lehre oder psychologische Praxis
in einer Handlungsfreiheit aus, die aber insbesondere im Hinblick auf die Lauterkeit der Ziele und der Qualität der Arbeit etc. sich an den ethischen Richtlinien zu orientieren hat. Aufträge, die im Widerspruch zu den vorliegenden Richtlinien stehen, sind abzulehnen.

Der/die Psychologe/in hütet sich davor, die Autonomie von Mitmenschen einzuschränken. Insbesondere beachtet er/sie die Freiheit der Information, des Urteils und der Entscheidung.

Der Psychologe vermeidet jede Unklarheit bezüglich seiner Qualifikation, seiner Ausbildung, seiner Ziele und der Ziele von Organisationen, denen er angehört; er verwahrt sich gegen Irreführungen über seine Person durch Dritte.

Die Grenzen des eigenen beruflichen Wissens, der Kompetenz und Methoden sind zu berücksichtigen und sollten wo immer möglich, durch Förderung erweitert werden. Infolge der raschen Entwicklung der Psychologie erwächst die besondere Verpflichtung, sich fortzubilden und auf eine wechselseitige Befruchtung von Grundlagenforschung und Praxis hinzuwirken.

Der/die Psychologe/in ist stets bestrebt, sich derjenigen Arbeitstechniken zu bedienen, die nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft als am besten begründet gelten können.

Im Dienste einer bestmöglichen Lösung der gestellten Aufgaben ist er/sie auf die Zusammenarbeit mit Fachleuten bedacht, speziell dann, wenn er/sie die Begrenztheit der eigenen Kompetenz erkennen muss.
Die äußeren Arbeitsbedingungen müssen den Anforderungen genügen, die an eine fachgerechte Berufsausübung zu stellen sind.

Die inkompetente Ausübung psychologischer oder als solche ausgegebener Tätigkeit durch andere ist zu unterbinden; sofern das auf informelle Weise nicht möglich ist, sind die dafür vorgesehenen Instanzen der Psychologenvereinigungen auf den beanstandeten Sachverhalt hinzuweisen, ebenso auf die Ausübung einer als psychologisch ausgegebenen Tätigkeit durch Nicht-Psychologen.
3. Spezielle Grundsätze
 
3.1. Grundsätze für die Beziehung zu KlientInnen

KlientIn ist jede Person, zu der der/die Psychologe/in in einer Einzel- oder Gruppensituation im Verlaufe einer Untersuchung, einer Beratung oder einer psychologischen Behandlung unmittelbar Kontakt aufnimmt. Die Beziehungen der/des Psychologen/in zum/zur Probanden/in ("Versuchsperson") im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen können unter manchen Umständen denen zum/zur Klienten/in in wesentlichen Aspekten entsprechen oder ihnen nahe kommen. Durch die Untersuchungsmittel wie auch durch die Methoden der psychologischen Einflussnahme entsteht ein besonders enger Kontakt zum
Leben der KlientenInnen. Aus dieser Tatsache erwächst PsychologeInnen eine spezifische Verantwortung, die in allen Handlungen KlientenInnen gegenüber bestimmend ist.

PsychologInnen respektieren die Integrität der Menschen und Gruppen, mit denen sie arbeiten. Wenn Interessenskonflikte zwischen KlientInnen und der Institution die PsychologInnen beschäftigt, entstehen, so versichern die PsychologInnen den KlientInnen ihre Loyalität und machen ihre Verantwortung ihnen gegenüber transparent, genauso wie auch ihre Entscheidungsüberlegungen. PsychologInnen informieren über Behandlungsformen, Erziehungs- oder Trainingsverfahren, sodass die KlientInnen ihre Wahl fundiert treffen können.

Klinische PsychologInnen und GesundheitspsychologInnen dürfen psychologische Tätigkeiten nur mit Zustimmung des/der Behandelten oder seines/ihres gesetzlichen Vertreters anwenden.

Klinische PsychologInnen und GesundheitspsychologInnen sind verpflichtet, dem Behandelten oder seinem gesetzlichen Vertreter alle Auskünfte über die Behandlung, insbesondere über Art, Umfang und Entgelt, zu erteilen.

Wenn klinische PsychologInnen bzw. GesundheitspsychologInnen von der Ausübung ihres Berufes zurücktreten wollen, teilen sie diese Absicht den Behandelten oder deren gesetzlichen VertreterInnen rechtzeitig mit, sodass die weitere psychologische Versorgung sichergestellt werden kann. PsychologInnen reflektieren bewusst ihre eigenen Bedürfnisse und ihre einflussreichen Positionen gegenüber den KlientInnen, StudentInnen und MitarbeiterInnen, um jeden Missbrauch des Vertrauens bzw. der Abhängigkeit zu verhindern.

PsychologInnen nützen ihre professionelle Beziehung zu KlientInnen, SupervisandInnen, StudentInnen, Beschäftigten oder ForschungsmitarbeiterInnen weder in sexueller noch in anderer Weise aus.

Wo zum Beispiel in Organisationen eine Verletzung ethischer Prinzipien dem/der Psychologen/in abverlangt würde, stellt er/sie dem Konflikt zwischen diesen Anforderungen und den ethischen Richtlinien gegenüber allen Beteiligten klar und unternimmt zweckmäßige Schritte. Sofern im Hintergrund der Beziehung des/der Psychologen/in zu KlientInnen andere Instanzen mit ihren Interessen stehen (beispielsweise Auftraggeber), entscheidet der/die Psychologe/in vor der Aufnahme der KlientInnenbeziehung über die von ihm/ihr im Falle vorhersehbarer Interessenskonflikte einzunehmende Haltung. Über diese Haltung informiert er/sie alle Beteiligten, gegebenenfalls unter Hinweis auf die berufsethischen Verpflichtungen.

Der/die Psychologe/in weist prospektive KlientInnen gegebenenfalls auch deren gesetzliche VertreterInnen auf die Implikationen der KlientenInnenbeziehung hin, die diesen/diese in seinem/ihrem Entschluss zur Aufnahme einer solchen Beziehung beeinflussen könnten; beispielsweise auf die Möglichkeiten und Grenzen seiner/ihrer Arbeit mit dem/der Klienten/in, auf eventuelle Einschränkungen der Verschwiegensheitspflicht, auf die zu erwartenden Honorarforderungen u.ä. Die Verpflichtung, KlientInnen vorweg auf alle wesentlichen Implikationen der Beziehung hinzuweisen, besteht auch im Falle duldungspflichtiger Untersuchungen, etwa in der forensischpsychologischen Praxis.

Sofern es die Umstände erlauben, wird der/die Psychologe/in in jeder KlientInnenbeziehung darauf achten, ob problematische Persönlichkeitszüge offenbar werden, die zwar nicht unmittelbar Gegenstand dieser KlientInnenbeziehung sein mögen, hinsichtlich deren der/die Klient/in jedoch in offensichtlicher Weise hilfsbedürftig ist, gegebenenfalls wird der/die Psychologe/in den/die Klienten/in auf entsprechende Hilfsmöglichkeiten aufmerksam machen.

Beabsichtigt der/die Psychologe/in, Einweg-Scheiben oder ähnliche Beobachtungsmittel zu verwenden bzw. Tonband oder Filmaufnahmen herzustellen, fragt er/sie den/die Klienten/in vorweg um Einverständnis. Im Falle von Personen, die nicht selbstverantwortlich für sich entscheiden können (beispielsweise bei jüngeren Kindern), fragt er/sie die entsprechenden Verantwortlichen (bei älteren Minderjährigen fragt er/sie sowohl sie selbst als auch die gesetzlichen VertreterInnen).

Wenn es für den/die Psychologen/in hinreichend klar ist, dass die Aufrechterhaltung einer Beziehung zum/zur Klient/in für diese/diesen selbst keinen weiteren Nutzen haben würde, wird der/die Psychologe/in die Beziehung beenden. Insbesondere wenn der/die Psychologe/in erkennt, dass eigene Persönlichkeitsprobleme die Beziehung zu einem/einer Klienten/in nachhaltig und irreversibel zu beeinträchtigen drohen, wird er/sie diese Beziehung unverzüglich abbrechen, nach dem er/sie sich wirksam darum bemüht hat, dem/der Klienten/in auf andere Weise Hilfe zukommen zu lassen.

Der/die Psychologe/in sollte die Ergebnisse einer Untersuchung dem/der Klienten/in in angemessener Form bekannt machen, sofern dieser/diese es wünscht. Falls die besondere Art des Auftrags dies von vornherein ausschließt (bei Ausleseuntersuchungen z.B.) muss der/die Klient/in vorweg davon in Kenntnis gesetzt werden.

Die Mitteilung von Untersuchungsergebnissen an den/die Klienten/in selbst oder mit Einverständnis an Dritte hat in einer möglichst klaren, verständlichen und unmissverständlichen Weise zu erfolgen.

Vor jeder Dienstleistung orientiert der/die Psychologe/in seinen/ihre Klienten/in über die allgemeinen Bedingungen, unter denen er/sie bereit ist zu arbeiten und informiert ihn/sie über die Tragweite seiner/ihrer Tätigkeit. Er/sie unterrichtet den/die Klienten/in über etwaige vorliegende besondere Umstände, welche die wechselseitigen Beziehungen beeinflussen können.
3.2 Grundsätze zur Schweigepflicht

Der/die Psychologe/in ist an das Berufsgeheimnis gebunden. Die gleiche Verschwiegenheit gilt für MitarbeiterInnen, PraktikantInnen und Angestellte.

Informationen und Ergebnisse, welche der/die Psychologe/in in Ausübungs einer/ihrer klientenbezogenen beruflichen Tätigkeit erlangt, sowie darauf gestützte Folgerungen oder Berichte unterstehen der Schweigepflicht. Sie dürfen nur mit Einwilligung Betroffener weitergegeben werden. Der/die Psychologe/in ist verpflichtet, KlientInnen die Grenzen der Schweigepflicht darzulegen.

Der/die Psychologe/in darf Informationen der Ergebnisse einer psychologischen Untersuchung für den Unterricht oder die Veröffentlichung nur benützen, wenn die Anonymität des/der Betroffenen gewahrt ist. ImZweifelsfall ist das ausdrückliche Einverständnis dieser einzuholen.

Gerät der/die klinische Psycholog/in in einen Gewissenskonflikt darüber, ob er/sie  seine Verschwiegenheitspflicht zugunsten einer Anzeige verletzen soll, so hat er zunächst für sich selbst eine Interessenabwägung hinsichtlich der verschiedenen Rechtsgüter wie beispielsweise Schutz des anvertrauten Geheimnisses und Schutz von Leib und Leben vorzunehmen. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann dann
in einer Notstandslage entschuldbar sein, wenn sie dazu dient, einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil von sich oder einem anderen abzuwenden. Es entschuldigt jedoch nur eine gegenwärtige oder unmittelbare Gefahr, die den Eintritt des Schadens als sicher oder höchst wahrscheinlich erscheinen lässt. Sollte der Gewissenskonflikt für den/die betroffene/n Psychologe/in nicht lösbar sein, kann er/sie sich an den Ethikausschuss des Psychologenbeirates wenden.

3.3. Grundsätze für die Beziehung zum Auftraggeber

Der/die Psychologe/in wird mit den Personen oder Institutionen, in deren Dienst er/sie steht, von vornherein zu einer klaren Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zu gelangen suchen; insbesondere wird er/sie seine/ihre Auftraggeber auf die für die vorgesehene Tätigkeit maßgebenden berufsethischen Verpflichtungen hinweisen.

Er/sie lehnt Aufträge ab, die ein nicht fachgerechtes oder sonstigen Grundsätzen der berufsethischen Verpflichtungen zuwiderlaufendes Arbeiten abverlangen und informiert den
Auftraggeber über die Gründe der Ablehnung.

Auftraggebende Personen bzw. Institutionen werden von vornherein über die Möglichkeiten und Grenzen der zur Verfügung stehenden Arbeitsmethoden informiert.

Die Ergebnisse auftragsgemäßer Untersuchungen werden nur in den für den Auftrag relevanten Ausschnitten weitergegeben und nur in einer Form, die unangemessenes Ausdeuten oder Verwenden der Ergebnisse nach Möglichkeit ausschließt.

3.4. Grundsätze für die psychologische Gutachtenerstellung

Die psychologische Gutachtentätigkeit PsychologInnen muss durch das Bemühen um Objektivität gekennzeichnet sein. Sie respektieren die Freiwilligkeit einer Teilnahme an psychologischer Begutachtung, soweit dem nicht ein Gesetz oder eine andere förmliche Norm entgegensteht, und sie tragen Sorge für hinreichenden Datenschutz der von ihnen gewonnenen Informationen. Da PsychologInnen nicht nur an die wissenschaftlichen Prinzipien gebunden sind, sondern auch den rechtlichen und berufsethischen Normen verpflichtet sind, haben sie auch mit dem einschlägigen Kanon juristischer Vorschriften vertraut zu sein.

Die Auswahl der Untersuchungsverfahren muss aus der Fragestellung herleitbar und nachvollziehbar sein.

Die Testverfahren müssen dem Untersuchungsziel entsprechen und hinsichtlich ihrer Aussagekraft reflektiert werden.

Gutachten sollen in der Regel nicht auf einer einzigen, sondern auf mehreren voneinander unabhängigen Datenquellen beruhen (z.B. Exploration, Verhaltensbeobachtung, unterschiedliche Tests, Akteninhalte).

Alle Befunde, auf die sich Schlussfolgerungen des Gutachtens stützen, werden mit ihrer Dokumentationsquelle genannt. Dabei kann auch die Art der Dokumentierung von Bedeutung sein (z.B. Tonbandprotokolle).

Aussagen von Dritten werden deutlich von den eigenen Aussagen abgehoben.

Die Sprache des Gutachtens soll für den Adressaten verständlich sein. Herabsetzende und verletzende Ausdrücke müssen vermieden werden, sofern es sich dabei nicht um direkte Rede untersuchter Personen handelt. (Nicht vermeiden lässt sich zuweilen, dass der/die Betroffene Feststellungen oder Folgerungen des Gutachtens als verletzend oder nachteilig erlebt.)

Wie der/die Gutachter/in zu Befund und Stellungnahme kommt, muss klar erkennbar sein.

Die Stellungnahme soll die Problemlage sowie die Bedingungen für Entstehung und Aufrecherhaltung des Problems kenntlich machen. In vielen Fällen gehört es zum Gutachterauftrag, über diagnostische Feststellungen hinaus konkrete Maßnahmen vorzuschlagen; diese müssen schlüssig an die diagnostischen Befunde anknüpfen und dem aktuellen Stand der Forschungen entsprechen.
3.5. Grundsätze für den Kontakt mit MitarbeiterInnen

Diesbezüglich sei auf die angeführten Richtlinien in den Kapiteln I, IV, und VI verwiesen.

3.6. Grundsätze für den Kontakt mit wissenschaftlichenInstitutionen

Diesbezüglich sei auf die angeführten Richtlinien in den Kapiteln I, IV und VI verwiesen.

Insbesondere sollen durch die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen,  PatientInnenschutz, Datenschutz und Schweigepflicht garantiert sein.
4. Grundsätze für das Anbieten psychologischer Dienste und Leistungen in der Öffentlichkeit

Das Anbieten psychologischer Dienstleistungen hat unter fachlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Menschen, denen psychologische Dienste angeboten werden, fehlen oftmals Maßstäbe dafür, die Angemessenheit des Angebotenen zu beurteilen. Daraus erwächst eine besondere Verpflichtung, in der Darstellung der angebotenen Leistungen sachlich zu sein.

Der/die Psycholog/in wird sich keine Qualifikationen zusprechen lassen, die ihm/ihr nicht zukommen.

Die Mitgliedschaft in psychologischen Vereinigungen darf nicht für Zwecke ausgenutzt werden, die mit den Zielsetzungen dieser Vereinigungen nicht vereinbar sind.

Es sollte nicht zugelassen werden, dass man namentlich bei psychologischen Tätigkeiten oder Produkten aufscheint, für die man nicht Verantwortung getragen hat.

Bei Eintragungen in Telefonverzeichnissen werden lediglich der Name, die relevanten akademischen Grade, Adresse und Telefonnummer angegeben; eventuell auch Hinweise auf die Zugehörigkeit zu Berufsorganisationen und auf die Hauptarbeitsgebiete. Eintragungen, die private praktisch psychologische Institute oder ähnliche Einrichtungen betreffen, werden ebenso sachlich abgefasst. Eine Anzeige, durch die eine psychologische Privatpraxis bekannt gemacht werden soll, enthält lediglich Namen, akademische Grade, einen Hinweis auf die Berufsorganisationen denen er/sie angehört, Adresse, Telefonnummer, Sprechstunden und einen kurzen Hinweis auf die Art der psychologischen Tätigkeit, die angeboten wird. Anzeigen privater praktisch psychologischer Institute können die Namen der MitarbeiterInnen und ihre jeweiligen Qualifikationen in der entsprechenden Form aufführen. Durch die Art der Abfassung der Anzeige sollen nur angemessene Vorstellungen erweckt werden.

Für private praktisch psychologische Einrichtungen wird der Name "Institut" oder eine ähnliche anspruchsvolle Bezeichnung nur dann verwendet, wenn personelle Besetzung, Ausstattung und Arbeitsweise der Einrichtung dies rechtfertigen. Hinweise auf spezielle Fähigkeiten oder auf besondere Arbeitsmittel können erfolgen, wenn deren Wirksamkeit einwandfrei mit wissenschaftlichen Methoden erwiesen wurde.

5. Grundsätze für Forschung, Lehre und postgraduelle Weiterbildung

5.1. Grundsätze für die Forschung

Psychologische Forschungstätigkeit hat hinsichtlich ihrer Absichten wie ihrer Methoden bestimmte Grenzen einzuhalten.

Diese Begrenzungen ergeben sich aus der Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf jene, die in die Forschung einbezogen sind.

In jeder Forschungstätigkeit, grundwissenschaftlicher wie angewandt psychologischer, wird bei der Planung und Durchführung der Untersuchungen von den jeweils problemangemessenen Prinzipien wissenschaftlicher Methodologie ausgegangen.

Bei der Planung und Durchführung von Untersuchungen werden alle Bedingungen ausgeschlossen, aus denen sich schädliche Nachwirkungen bei den Probanden ergeben könnten. Bei Forschungen, bei denen die Möglichkeit gewisser schädlicher Nachwirkungen offen bleibt, werden die vorgesehenen Probanden ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen und nur dann in Anspruch genommen, wenn sie ausdrücklich und in aller Freiheit ihre Bereitschaft erklärt haben, dieses Risiko einzugehen.

Den Probanden körperlich und seelisch aktuell belastende Situationen dürfen in der Forschung nur dann herbeigeführt werden, wenn es sich um wichtige wissenschaftliche Probleme handelt, die auf andere Art und Weise nicht untersucht werden können, und unter der Voraussetzung, dass der Proband gewillt ist, sich solchen Belastungen zu unterziehen. Die Belastungen dürfen die Würde der Personen nicht verletzen. Sie müssen sich in einem verantwortbaren Ausmaß halten und dürfen nur unter Einhaltung aller möglichen Vorsichtsmaßregeln eingeführt werden.

Soll ein Proband während einer Untersuchung in nicht offensichtlicher Weise beobachtet werden (beispielsweise mit Hilfe von Einwegscheiben oder ähnlichen Einrichtungen) bzw. sollen von seinem Verhalten photographische oder phonographische Aufnahmen fixiert werden, so wird der Proband vorher von dieser Absicht in Kenntnis gesetzt und sein Einverständnis eingeholt. Von diesem Prinzip darf nur dann abgewichen werden, wenn die Untersuchung wissenschaftlich bedeutsamer Fragestellungen dies unumgänglich notwendig macht. In letztgenanntem Fall wird der Proband jedoch sobald wie möglich darüber aufgeklärt, dass und in welcher Weise sein Verhalten beobachtet bzw. registriert wurde. Er ist befugt, die Registrierung annullieren zu lassen, falls er sie auch nach Darlegung der Gründe ihrer wissenschaftlichen Notwendigkeit nicht billigt. Im Falle von Personen, die diesbezügliche Entscheidungen nicht selbstverantwortlich treffen können, sind die entsprechenden Vereinbarungen mit den Verantwortlichen herbeizuführen.

In bestimmten Fällen kann die Beziehung zum Probanden von diesem aus gesehen als KlientInnenbeziehung aufgefasst werden bzw. kann sich indirekt zu einer solchen hin entwickelt haben; in diesem Falle werden die unter Kapitel II. aufgeführten Gesichtspunkte maßgebend.

Für den Umgang mit Tieren in psychologischer Forschungstätigkeit gelten die Vorschriften des Tierschutzgesetzes. Versuche, die mit erheblichen negativen Beeinträchtigungen des Tieres verbunden sind, bedürfen stets der Genehmigung durch die zuständige oberste Landesveterinärbehörde.

Bei der Auswertung von Untersuchungsdaten darf nichts ausgelassen oder verschleiert werden, was die Ergebnisse der Untersuchung oder ihre Interpretation modifizieren würde.

Bei Publikationen sollen alle MitarbeiterInnen erwähnt werden, die maßgeblich zu ihrer Verwirklichung beigetragen haben.

5.2. Grundsätze für die postgraduelle Weiterbildung

Im Rahmen der postgraduellen Weiterbildung machen die Lehrenden die AusbildungsteilnehmerInnen auf die ethischen Konsequenzen ihrer Tätigkeit aufmerksam und klären sie über Inhalt und Bedeutung der ethischen Richtlinien auf.

Jene PsychologInnen, die AusbildungskandidatInnen nach dem Psychologengesetz gemäß § 6 Abs. 1 leg.cit. Arbeitsplätze zum Erwerb der praktisch psychologischen Tätigkeit anbieten, sollen dafür Sorge tragen, dass diese in einer ihrer Persönlichkeit, ihren Fähigkeiten und ihrem Ausbildungsstand angemessenen Weise beschäftigt und gefördert werden.

Die PsychologInnen werden die Privatsphäre jener Menschen, mit denen Sie im Zuge der postgraduellen Ausbildung arbeiten, respektieren. Informationen und Kenntnisse aus der persönlichen Sphäre der AusbildungsteilnehmerInnen sind nicht anderwärtig, insbesondere nicht zum Nachteil dieser zu verwenden.

Ausbildungsvereine bzw. -institutionen die postgraduelle Ausbildungslehrgänge insbesondere zum Erwerb der fachlich theoretischen Kompetenz anbieten, gewährleisten volle Aufklärung über den Ausbildungsvertrag und alle für das Ausbildungsverhältnis und den Ausbildungsgang wesentlichen Sachverhalte und Vereinbarungen und bieten hinsichtlich der Kosten, der Dauer, der Inhalte, der Ziele und der geforderten Leistungen den potenziellen AusbildungskandidatInnen ein Höchstmaß an Transparenz.

Von den Ausbildungseinrichtungen (sowohl Vereine die eine Theorieausbildung anbieten, als auch Institutionen, die den Erwerb praktisch fachlicher Kompetenz ermöglichen) und AusbildnerInnen ist besondere Sorgfalt im Umgang mit dem Vertragsverhältnis gefordert, das sie mit den Auszubildenden eingehen. Dem Sinn der klinisch psychologischen Ausbildung fremde kommerzielle oder andere Erwägungen sind bei der Zulassung zur Ausbildung und im Zuge der Ausbildung unzulässig.

Die Ausbildungsordnung und alle für den Ausbildungsgang wesentlichen Regelungen sind schriftlich festzuhalten und InteressentInnen zugänglich zu machen. Dies gilt auch für die Regelungen und Verfahrensweisen bezüglich der Behandlung von Streitfällen aus dem Ausbildungsverhältnis, die die Ausbildungseinrichtungen in angemessener Weise festzulegen haben. Alle für das Ausbildungsverhältnis relevanten Vereinbarungen sind mit dem/der Auszubildenden schriftlich zu treffen.

Für mögliche Streitfälle zwischen AusbildungskandidatInnen und Lehrenden, ist eine unabhängige Schiedskommission einzurichten.
5.3. Grundsätze für die Lehre

Die vorliegenden Ethikrichtlinien sind in erster Linie für die psychologische Praxis
erstellt und sollen dementsprechend den Grundsatz der Freiheit von Forschung und Lehre
nicht tangieren, sofern, wie bereits a.o. Stelle angeführt, die Integrität von Personen, Datenschutz und Verschwiegenheitspflicht nicht verletzt werden.


6.Grundsätze für die Beziehung zwischen Psychologen/Innen und Berufskollegen/Innen sowie zu Fachleuten verwandter Berufsrichtungen

6.1. Allgemeiner Grundsatz

Die PsychologInnen sind gegenüber ihren FachkollegInnen und Fachleuten verwandter Berufsrichtungen loyal, tolerant und hilfsbereit.
6.2. Grundsätze für die kollegiale Zusammenarbeit

Klinische PsychologInnen und GesundheitspsychologInnen sollten offen für
eine kollegiale Zusammenarbeit mit BerufskollegInnen im Sinne der wechselseitigen Konsultation und Kooperation bei der Abklärung der Leidenszustände der PatientInnen und der angemessenen Behandlung, bei der Vertretung von KollegInnen in Krisenfällen und bei der Zuweisung von PatientInnen sein, deren Behandlung nicht selbst übernommen oder weitergeführt werden kann.

Beschäftigt ein klinischer Psychologe/klinische Psychologin oder ein/e Gesundheitspsychologe/Gesundheitspsychologin einen/eine Berufskollegen/in als Angestellten/e oder freien/e MitarbeiterIn, so bietet er/sie diesem einen dem Berufsstand angemessenen Vertrag an.

Klinische PsychologInnen und GesundheitspsychologInnen können sich zwecks gemeinsamer Nutzung von Einrichtungen, Geräten, Praxisräumen etc. und gemeinsamer Beschäftigung von Hilfspersonen in Gruppen bzw. Gemeinschaftspraxen zusammenschließen. Der Vertrag über die Begründung einer Gruppen bzw. Gemeinschaftspraxis sollte schriftlich erfolgen und insbesondere Bestimmungen über Veränderungen (Ausscheiden und Zugänge von KollegInnen), über die Verteilung von Lasten und Einnahmen und über die Auflösung enthalten.

Im Falle der Beschäftigung von Hilfspersonen in der Gruppen bzw. Gemeinschaftspraxis ist für die Einhaltung der einschlägig gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen. Darüber hinaus sind den Hilfskräften angemessene Arbeitsbedingungen und der jeweiligen Tätigkeit entsprechende Verträge anzubieten.

Der/die eingetragene klinische Psychologe/in und der/die Gesundheitspsychologe/in trägt in Kooperationen dieser Art die Verantwortung dafür, dass den Auszubildenden nur Aufgaben übertragen werden, die seiner/ihrer persönlichen und fachlichen Kompetenz, seiner/ihrer Belastungsfähigkeit und seinen/ihren zeitlichen Möglichkeiten angemessen sind. Die Heranziehung zu einseitigen oder ausschließlich untergeordneten Hilfstätigkeiten ist unzulässig.

Der/die eingetragene klinische Psychologe/in und Gesundheitspsychologe/in zieht aus der Kooperation mit auszubildenden Klinischen PsychologInnen und GesundheitspsychologInnen keine unangemessenen finanziellen Vorteile.

6.3. Grundsätze für Streitfälle

Bei Streitigkeiten zwischen PsychologInnen betreffend berufliche und kollegiale Pflichten kann auf beiderseitigen Wunsch vor Anhebung eines Rechtstreites die Angelegenheit der Ethikkommission zur Schlichtung vorgelegt werden.

Ist ein Schlichtungsversuch erfolglos und liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen die Standesregeln im Sinne einer Gesetzwidrigkeit vor, so wird auf gerichtliche oder sonstige behördliche Maßnahmen entsprechend den Strafbestimmungen des Psychologengesetzes (§ 22) verwiesen.
6.4. Grundsätze für Vergütungen

Klinische PsychologInnen und GesundheitspsychologInnen dürfen keine Vergütungen für die Zuweisung von Personen zur Ausübung des psychologischen Berufes gemäß § 3 Abs. 1 leg.cit. an sie oder durch sie sich oder einem anderen versprechen, geben, nehmen oder zusichern lassen. Rechtsgeschäfte, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind nichtig. Leistungen aus solchen Rechtsgeschäften können zurückgefordert werden (entsprechend §
15 Abs. 3 leg.cit). Der/die klinische Psychologe/in und der/die Gesundheitspsychologe/in tut alles, um zuverhindern, dass solche Zuwendungen, Begünstigungen, Provisionen oder Entschädigungen von seinen/ihren MitarbeiterInnen oder Angehörigen entgegengenommen werden. Weiters ist es den Klinischen PsychologInnen und den GesundheitspsychologInnen verboten, im Zusammenhang mit ihrer psychologischen Tätigkeit für sich oder andere Personen Zuwendungen und Vergünstigungen zu fordern, anzunehmen oder sich versprechen zu lassen, die geeignet sein könnten, seine Objektivität zu beeinträchtigen oder die nicht einer etwa wegen ihrer Geringwertigkeit nach allgemeiner Auffassung zu billigenden Gepflogenheit entsprechen.

Für klinische PsychologInnen und GesundheitspsychologInnen ist es selbstverständlich, keine Vergütungen für die Zuweisung von Personen zur Ausübung des psychologischen Berufes an sie oder durch sie sich oder einem anderen versprechen, geben, annehmen oder sich zusichern lassen. Rechtsgeschäfte, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind nichtig. Leistungen aus solchen Rechtsgeschäften können zurückgefordert werden.

7. Abschließende Bemerkungen

Die berufsethischen Richtlinien haben einen hohen Verbindlichkeitscharakter, insbesondere aus ethisch moralischer Sicht. Das wird sich auch auf allfällige rechtliche Konsequenzen bei einem Verstoß gegen den Rechtskodex auswirken. Ihre Nichtberücksichtigung, eventuell auch bei einem Konflikt zwischen berufsethischen und dienstrechtlichen Bestimmungen, durch klinische PsychologInnen und GesundheitspsychologInnen ist daher mit Konsequenzen verbunden, über die entweder der zuständige Berufsverband oder der Ethikausschuss bzw. die Ethikkommission im Rahmen des Psychologenbeirates oder die Schlichtungsstele beim Bundesministerium für Gesundheit befinden werden.

Die berufsethischen Richtlinien werden einem ständigen Beobachtungsprozess unterzogen, sodass notwendige Änderungen rechtzeitig bearbeitet bzw. vom Psychologenbeirat beschlossen werden können.

Die berufsethischen Richtlinien dienen nicht nur dem Konsumentenschutz und der Qualitätssicherung. Sie stellen außerdem auch einen Schutz für klinische PsychologInnen und GesundheitspsychologInnen gegenüber unethischer Arbeitsbedingungen, Aufträgen etc. dar.


Link zum Originaltext: www.bmg.gv.at (Stand 26.11.2015)

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