Architekturpsychologie | |
von Dr. Herbert Schmid | |
Die Frage der Wirkung der gebauten Wohn- und Stadtumwelt auf die Menschen und wie diese von ihnen wahrgenommen und beurteilt wird, ist einer der Schwerpunkt der Architekturpsychologie. Weitere Aufgabenfelder sind die Einbeziehung der Nutzer in die Planung und die Untersuchung und Verbesserung der Kommunikation zwischen den Experten und den künftigen Bewohnern. Ebenfalls im Blickpunkt steht, wie Architekten ihre Konzepte und Projekte vermitteln und wie dies bei Nichtexperten ankommt.
Das Fachgebiet Architekturpsychologie begann sich in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, zunächst in den USA, zu entwickeln. Es wurden dort im universitären Bereich, bald auch als kommerzielle Dienstleistung, sozialwissenschaftliche Untersuchungen zu Nutzerverhalten und Nutzerbedürfnissen durchgeführt. Es wird dieses Gebiet jedoch, im Rahmen der psychologischen Forschung, als auch von Seiten der Architektur, immer bedeutsamer werden, denn es wirkt nicht nur die Wohn- und Stadtumwelt auf die Bewohner, sondern diese wirken wiederum zurück und verändern diese weiter, je nachdem, ob die Umwelt den Bedürfnissen entgegenkommt oder diesen entgegensteht. Die Auswirkungen sind sowohl sozialer, politischer, als auch ökonomischer Natur. Zunehmende Entfremdung, Vandalismus, Kriminalität in an den Bedürfnissen der Nutzer vorbeigebauten Grosswohnsiedlungen bis zu deren Unbewohnbarkeit und dem dann notwendig gewordenen Abriss sind nur die drastischsten Beispiele hierfür. In St. Louis (USA) wurde 1972 eine vermeintlich nach sozialen Gesichtspunkten gebaute Grosswohnhausanlage aus den frühen 50er Jahren gesprengt, da sie völlig heruntergekommen und an den Bedürfnissen der Nutzer vorbeigeplant war. Die Gestaltung von Architektur folgte in früheren Zeiten meist einem strikten Formenkanon der jeweiligen Epoche. Sie entsprach primär den Wünschen von Feudalherren oder Angehörigen einer wohlhabenden Bevölkerungsschicht und den Vorstellungen der herausragenden Künstler dieser Zeit. Noch heute wird das Bild vieler Städte wesentlich durch sie geprägt. Die Wohnungen der breiten Bevölkerung waren oft anonyme Bauten, meist von einfachen Baumeistern oder überhaupt selbst gebaut, die noch sehr mit der Lebensumwelt verwoben waren und Basisbedürfnisse des Wohnens erfüllen mussten. Insbesondere seit der Zeit der industriellen Revolution kam es zu dem vor allem an ökonomischen Interessen orientierten Bauen, wie in der Gründerzeit und bis heute. Der rein rationale Zweckbau des 20. Jahrhunderts entspricht zumeist schon gar nicht den Bedürfnissen der Nutzer. Schon seit langem gab es daneben aber auch an sozialen Maßstäben orientierte Bemühungen, wie der Fuggerei in Augsburg, einer Arbeitersiedlung aus dem 16. Jahrhundert, bis zu den Architekturutopien des 19. und 20. Jahrhunderts. Teilweise funktionierten diese oder funktionieren bis heute. Teilweise gingen diese jedoch völlig an den Bedürfnissen der Nutzer vorbei. Gerade hier zeigt sich, wie folgenschwer eine mangelnde Kenntnis der eigentlichen sozialen und psychologischen Wirkfaktoren sein kann. Architekten gingen hier vielfach voller Ideale von unrealistischen Sozialutopien aus und setzten ihre eigenen Vorstellungen von einer Welt, wie sie sein sollte, unreflektiert in Beton, Stein und Glas um. Die Folgen sind bekannt. Die Frage, wie wirken Räume, Gebäude, Straßen und Städte auf Menschen, wie nehmen diese die gebaute Umwelt wahr und wie beurteilen sie diese, sollte ja eigentlich von zentraler Wichtigkeit sein. Die meisten Menschen leben heute in einer künstlichen, von anderen gestalteten Umwelt, die ihr Leben stark prägt, ohne dass sie einen wesentlichen Einfluss auf sie nehmen können. Wohnen soll wesentliche Grundbedürfnisse nach Schutz, Privatsphäre, Rückzugsmöglichkeit, Entspannung, Gestaltungsmöglichkeit, aber auch nach Natur und Freizeitmöglichkeiten befriedigen. Will man daher die Städte und die Wohnumwelt wieder menschlicher, also den Menschen entsprechender gestalten, kommt man um eine Erhebung der tatsächlichen Bedürfnisse, aber auch von deren sozialen und politischen Hintergründen, nicht herum. |