BDSM ist die heute in der Fachliteratur gebräuchliche Sammelbezeichnung für eine Gruppe miteinander verwandter sexueller Vorlieben, die oft unschärfer als Sadomasochismus (kurz:
SM oder
Sado-Maso) bezeichnet werden. Weitere mögliche Bezeichnungen sind beispielsweise
Ledersex oder
Kinky Sex. Der Begriff umfasst eine sehr vielgestaltige Gruppe von meist sexuellen Verhaltensweisen, die unter anderem mit Dominanz und Unterwerfung, spielerischer Bestrafung sowie Lustschmerz oder Fesselungsspielen in Zusammenhang stehen können. „BDSM“ kommt von den Anfangsbuchstaben der englischen Bezeichnungen „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“.
Grundzüge
Alle Varianten des BDSM haben gemeinsam, dass sich die Beteiligten freiwillig aus ihrer Gleichberechtigung in ein Machtgefälle begeben. Der devote Partner gibt einen bestimmten Teil seiner Autonomie auf und übergibt sie dem dominanten Partner (Power Exchange). Beide Beteiligten erzielen daraus einen Lustgewinn. Der dominante Partner wird auch Dom oder Top genannt, der devote Partner auch Sub oder Bottom.
BDSM-Handlungen finden während einer festen Zeitspanne meist in Form eines erotischen Rollenspiels statt; ein einzelnes BDSM-Spiel wird Session genannt. Viele der innerhalb von BDSM ausgeübten Praktiken wie Schmerzzufügung, Erniedrigung oder Unterwerfung würden ohne den Zusammenhang zur speziellen sexuellen Vorliebe als unangenehm empfunden werden. Geschlechtsverkehr wie etwa Oral-, Vaginal- oder auch Analverkehr kann innerhalb einer Session vorkommen, ist jedoch nicht essentiell.
1Die Basis für die Ausübung von BDSM ist, dass es prinzipiell von mündigen Partnern, freiwillig und in gegenseitigem Einverständnis in einem sicheren Maße praktiziert wird. Diese Grundprinzipien werden seit den 1990er Jahren unter der englischen Bezeichnung „safe, sane and consensual“, kurz SSC zusammengefasst. Dies bedeutet so viel wie „sicher, mit klarem Verstand und in gegenseitigem Einverständnis“. Die Freiwilligkeit, das heißt die Einvernehmlichkeit zwischen den Beteiligten, grenzt BDSM sowohl rechtlich als auch ethisch von Vergehen oder Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung und von Gewaltmissbrauch ab.
Einige Anhänger des BDSM bevorzugen einen etwas anderen Verhaltenskodex mit der englischen Bezeichnung RACK (risk-aware consensual kink), was etwa so viel bedeutet wie „risikobewusstes einvernehmliches sexuelles Handeln“; sie wollen damit die das Risikopotenzial betreffende Eigenverantwortung der beteiligten Partner stärker betonen.
Die Freiwilligkeit als entscheidendes Kriterium gilt dabei grundsätzlich. Die Einwilligung zu einem einvernehmlichen sadomasochistischen Geschehen kann nur geben, wer die Folgen seiner Zustimmung hinreichend abschätzen kann. Für seine Entscheidungsfindung muss der Einwilligende ausreichend Informationen und die notwendigen geistigen Fähigkeiten besitzen. Generell muss es dem Einwilligenden freistehen, die Einwilligung jederzeit widerrufen zu können, beispielsweise mit einem vorher vereinbarten Signalwort, einem sogenannten Safeword.
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Sicherheit
Neben den allgemeinen Empfehlungen für Safer Sex erfordern BDSM-Sessions im Regelfall wesentlich weitergehende Sicherheitsmaßnahmen als typischer sogenannter „Vanillasex“, d. h. als ein Sexualleben ohne BDSM-Elemente.
4 Damit die Handlungen stets in dem von den Teilnehmern gewünschten Rahmen bleiben, haben sich in der BDSM-Szene eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen und -konventionen etabliert.
5Um die unabdingbare Einvernehmlichkeit (Konsensualität) der Praktiken sicherzustellen, wird – besonders zwischen unbekannten Partnern – generell zu einem intensiven Vorgespräch über die Wünsche der Beteiligten und den Verlauf sowie die Grenzen der geplanten Aktivitäten geraten. Entsprechende detaillierte Gespräche sind allgemein üblich und ein typisches Alleinstellungsmerkmal von BDSM-Sessions. Zusätzlich wird in der Regel auch ein Safeword vereinbart, bei dessen Nennung die Handlung zu jeder Zeit unmittelbar abgebrochen werden muss. Für den Fall, dass die Sprachfähigkeit des sich unterwerfenden Partners eingeschränkt wird, sind Augenkontakt oder Handzeichen die einzigen Verständigungsmittel und daher von ganz entscheidender Bedeutung für die Sicherheit der Praktiken. Der effiziente und vertrauensvolle Umgang mit Safewords ist eine der absolut notwendigen Voraussetzungen für BDSM.
Das sehr breite Spektrum unterschiedlichster BDSM-„Spielzeuge“ sowie angewandter physischer Manipulations- und Kontrolltechniken macht häufig ein umfangreiches, zur jeweiligen Session passendes Detailwissen aus so unterschiedlichen Gebieten wie Anatomie, Physik oder auch Psychologie notwendig. Praktische Sicherheitsaspekte sind generell von entscheidender Bedeutung.
67 So ist es beispielsweise bei Fesselungen wichtig zu wissen, an welchen Stellen die Gefahr der Quetschung von Gefäßen oder Nerven oder die deutlicher Narbenbildung besteht. Beim Einsatz von Gerten oder Peitschen kann das motorische Können und das anatomische Wissen den Unterschied zwischen einer befriedigenden Session, äußerst unangenehmen Erfahrungen und schweren körperlichen Schäden ausmachen. Um einen psychischen Absturz des Bottoms frühzeitig zu erkennen und nach Möglichkeit zu vermeiden bzw. um ihn nach einem solchen Absturz „aufzufangen“, ist es wichtig, dessen Reaktionen einfühlsam zu verfolgen und entsprechend zu reagieren.
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Teilaspekte
Das mehrschichtige Akronym BDSM steht für mehrere unter diesem Oberbegriff zusammengefasste physische und psychische Teilaspekte.
- B & D Bondage and Discipline (Fesselung und Disziplinierung)
- D & S Dominance and Submission (Beherrschung und Unterwerfung)
- S & M Sadism and Masochism (Sadismus und Masochismus)
Dieses Modell zur Differenzierung dreier Aspekte des BDSM ist heute in der Literatur zunehmend gebräuchlich, stellt aber lediglich den Versuch einer phänomenologischen Trennung dar. In der individuellen Ausprägung sexueller Vorlieben überschneiden sich die hier getrennten Aspekte häufig.
Bondage/Discipline
Bondage und Discipline sind zwei Aspekte des BDSM, die nicht zwingend miteinander zu tun haben, jedoch auch gemeinsam vorkommen.
Bondage
Der englische Begriff Bondage (Fesselung) bezeichnet Praktiken der Fesselung zur Erregung und Steigerung sexueller Lust.
9 Bondage ist eine sehr beliebte Spielart aus dem großen Variationsbereich von BDSM, wird von diesem teilweise abgegrenzt. Studien in den USA kamen zum Ergebnis, dass etwa die Hälfte aller Männer und viele Frauen Bondagespiele für erotisch halten.
Beim Bondage wird der Partner durch das Zusammenbinden der Gliedmaßen, beispielsweise durch die Verwendung von Handschellen, Fußschellen oder Seilen und/oder durch Festbinden an Gegenständen gefesselt. Auch das Spreizen der Gliedmaßen kann durch Bondage erreicht werden, beispielsweise durch Fesseln an ein Andreaskreuz, Strappado, Pranger, Galgen, Streckbänke oder Spreizstangen.
Discipline
Unter Discipline versteht man im Bereich des BDSM die Disziplinierung des Partners durch Schläge mit der Hand oder „Züchtigungsinstrumenten“, aus deren Ausübung oder Empfang der erotische Lustgewinn der Beteiligten entspringt. Hierbei kann die Intensität der Schläge stark variieren. Eine Verschmelzung mit Praktiken aus dem Bereich von Bondage ist häufig, aber nicht zwingend und die Abgrenzung zu rein schmerzbetontem BDSM manchmal schwierig. Neben Schlägen kommen gelegentlich auch andere Arten von Körperstrafen zum Einsatz, beispielsweise beim Figging. Häufig wird der Begriff Discipline auch fälschlich gebraucht, um Erziehungsspiele aus dem Bereich Dominance and Submission zu beschreiben.
Dominance and Submission
Das Begriffspaar Dominance und Submission (D/s) kommt aus dem Englischen und bedeutet Herrschaft und Dominanz sowie Unterwerfung und Unterordnung. Man bezeichnet damit ein ungleiches Machtverhältnis zwischen Partnern, das bewusst angenommen und angestrebt wird. Dominance and Submission benennt somit eher die psychische Komponente des BDSM. Obwohl dies auch in vielen Partnerschaften der Fall ist, die sich selbst nicht als sadomasochistisch auffassen, gilt es bewusst gelebt als Teilbereich des BDSM. Die Variationsbreite der individuellen Ausprägungen ist dabei groß.
Speziell psychisch orientierte Praktiken sind z. B. Erziehungsspiele, bei denen der dominante dem devoten Partner bestimmte Verhaltensweisen abverlangt. Sonderformen sind hierbei erotische Rollenspiele wie das Ageplay – bei dem ein gespielter Altersunterschied als Hintergrund fungiert – oder das Petplay sowie an Cosplay angelehnte Spielformen. Die gezielt eingesetzte sexuelle Zurückweisung des Partners kann ebenfalls Teil von Dominance and Submission sein (siehe auch Cuckold). Die bekannteste und wohl klischeebehaftetste Form von Dominance and Submission ist die von „Herrschaft und Sklaventum“. Diese kann für die kurze Dauer eines „Spiels“ unter ansonsten gleichberechtigten Partnern umgesetzt, aber auch permanent in den Alltag integriert werden („24/7“) und reicht bei wenigen Partnerschaften bis hin zur völligen Unterwerfung eines Partners im Sinne des Total Power Exchange. Ausgleichende Elemente für Beherrschung und Unterwerfung sind dabei Fürsorge und Hingabe, die sich jeweils ergänzen und so stabile Beziehungen ermöglichen.
Die Unterwerfung des Sub wird von diesem manchmal durch Symbole wie ein besitzanzeigendes Halsband, besondere Tätowierungen, Intimschmuck oder sehr kurzgeschnittene Haare oder Glatzen nach außen hin demonstriert. Vereinzelt wird in längeren Beziehungen das Machtverhältnis in sogenannten „Sklavenverträgen“ schriftlich fixiert. Diese symbolische Handlung soll die innige Verbundenheit der Partner und ihre gemeinsamen Vorstellungen „verbindlich“ festhalten. Rechtlich sind diese „Sklavenverträge“ in keiner Weise verbindlich, da sie nach allgemeiner Auffassung zum Beispiel gegen die guten Sitten verstoßen und aufgrund dessen nach BGB nichtig sind.
10 In der Vergangenheit führte die Existenz derartiger Schriftstücke in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder zu drastischen Schlagzeilen in der Boulevardpresse, da in ihnen das Innenverhältnis und vereinbarte Praktiken sehr detailliert aufgeführt werden. Bei uninformierten Dritten führen derartige aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gelöste Informationen regelmäßig zu starker Ablehnung und einer Verurteilung der dem Schriftstück zugrundeliegenden Beziehung.
Sadomasochismus
Mit Sadomasochismus wird oft – im Gegensatz zu Dominance and Submission – die eher physische Seite von BDSM bezeichnet. Konkret sind hier alle Praktiken einzuordnen, deren Zweck das Zufügen oder Empfinden von Schmerzen ist.
Discipline weist sadomasochistische Züge auf. Im Gegensatz zu Discipline spielen Schläge bei Sadomasochisten aber eine eher untergeordnete Rolle, und es gibt eine Vielzahl anderer Praktiken, die verwendet werden, um Schmerzen zu erzeugen. Sadomasochismus wird vergleichsweise selten eigenständig praktiziert; eine Vermischung mit anderen Aspekten des BDSM ist häufig.
Physische Aspekte
Betrachtet man BDSM auf einer rein körperlichen Ebene, lässt sich feststellen, dass es teilweise mit der gezielten Zufügung von physischen Schmerzen und anderen intensiven Sinneseindrücken verbunden ist. Die hierdurch freigesetzten Endorphine werden in ihren Auswirkungen von BDSM-Anhängern häufig mit dem sogenannten Runner’s High oder den Nachwirkungen eines Orgasmus verglichen. Dieser Zustand wird teilweise auch als tranceähnlicher Subspace bezeichnet und wiederholt als sehr angenehm geschildert. Diese Erfahrung von Lustschmerz ist eine wichtige, aber nicht die einzige Motivation für viele BDSM-Praktizierende. Es gibt Personen, die an Sessions teilnehmen, aus denen sie selbst keinerlei (körperliche) Befriedigung ziehen. Sie begeben sich ausschließlich in solche Situationen, um ihrem Partner eine Gelegenheit zu bieten, seine eigenen Bedürfnisse oder Fetische auszuleben.
In einigen Varianten des BDSM-Spiels setzt der Top den Bottom unterschiedlichsten Sinneseindrücken aus, indem er ihn beispielsweise kneift, beißt, mit Fingernägeln kratzt, ihm „den Hintern versohlt“ oder so unterschiedliche Instrumente wie Gerten, Peitschen, flüssiges Wachs, Eiswürfel, Wartenbergräder, EMS oder ähnliches an ihm benutzt. Die Fixierung durch Handschellen, Seile, Ketten oder auch Vakuumbetten wird ebenfalls häufig eingesetzt, und Alltagsgegenstände wie Wäscheklammern, Kochlöffel oder Stretchfolien werden genutzt.
Beziehungsarten
Spielbeziehungen
Viele Anhänger des BDSM betrachten die Ausübung von BDSM in ihrem Sexualleben als erotisches Rollenspiel und sprechen in diesem Zusammenhang daher auch von „Spiel“ und „spielen“. Die Durchführung eines solchen Spieles wird als „Session“ bezeichnet.
Analog dazu spricht man von „Spielbeziehungen“ und meint damit zweierlei: Zum einen bezeichnet dieser Begriff gewöhnliche gleichberechtigte Partnerschaften, in denen BDSM Teil oder Vorspiel der Sexualität ist. Bestehen mehrere Partnerschaften mit intensiven emotionalen Bindungen über eine längere Zeit hinweg, so kann eine Überschneidung mit der Praxis von Polyamory bestehen. Es können mit dem Begriff Spielbeziehungen aber auch Partnerschaften gemeint sein, die ausschließlich gelegentliches gemeinsames Ausleben bestimmter sexueller Fantasien zum Ziel haben und in denen sonst kein weiteres partnerschaftliches Verhältnis besteht.
Weitverbreitete Rollenmodelle
Tops und Bottoms
Im BDSM nennt man den Partner „Top“ oder häufiger „Dom“, der die aktive, d. h. kontrollierende Rolle in einer meist durch die Ausübung von Schmerz, Erniedrigung oder Unterwerfung geprägten Session hat. Der als „Bottom“ oder häufiger als „Sub“ bezeichnete Partner setzt sich für die Dauer der Session freiwillig solchen Handlungen aus und ist der sogenannte passive Teil.
Switcher
Einige BDSM-Anhänger switchen, das bedeutet, sie spielen sowohl die dominante als auch die devote Rolle. Sie praktizieren dies entweder innerhalb einer einzigen Session oder nehmen diese unterschiedlichen Rollen in unterschiedlichen Sessions mit demselben oder mit unterschiedlichen Partnern ein.
Außererotischer BDSM
Im Gegensatz zu solchen Spielbeziehungen stehen partnerschaftliche Beziehungen, die auch über den erotischen Bereich hinaus klar von Vorstellungen aus dem Bereich BDSM bestimmt sind. Die beteiligten Partner pflegen dabei auch in ihrem täglichen Leben ein entsprechendes Machtverhältnis zueinander und machen Aspekte des BDSM gemeinsam zu ihrem Lebensstil – womit man BDSM nicht mehr als rein sexuelles Phänomen bezeichnen kann. Man spricht hierbei von „24/7-Beziehungen“, hergeleitet von 24 Stunden täglich an 7 Tagen in der Woche.
Professionelle Dienstleistungen
Eine Domina bietet sexuelle Dienstleistungen aus dem Bereich BDSM entgeltlich an. Viele Dominas verstehen sich dennoch nicht als Prostituierte, da es im Regelfall nicht zum Geschlechtsverkehr zwischen Domina und Kunden kommt. Die männliche Entsprechung der Domina, vorwiegend im Umfeld männlicher Homosexueller, heißt Sado. Weitaus seltener können auch die Dienste einer professionellen „Sklavin“ oder „Zofe“ in Anspruch genommen werden. Beide dulden teilweise auch Geschlechtsverkehr.
Australische Wissenschaftler stellten fest, dass mit der Legalisierung der Prostitution in ihrem Land der Anteil BDSM-bezogener Dienstleistungen gestiegen sei.
11Im nichtkommerziellen BDSM-Bereich ist der Begriff Domina unüblich. Eine Frau mit dominanten Neigungen wird als Femdom, umgangssprachlich meistens als „Domse“ oder „Domme“ bezeichnet.
Szene, Subkultur und Öffentlichkeit
Es existiert eine BDSM-Szene, in der sich gleichgesinnte Menschen über BDSM-relevante Themen und Probleme austauschen können. Diese Szene hat den Charakter einer Subkultur, weil BDSM von der Öffentlichkeit und den Medien noch immer meist als „bizarr“, „pervers“ oder „krank“ betrachtet wird. Da sie Unverständnis und Ausgrenzung fürchten, verbergen viele Menschen ihre Neigung vor der Gesellschaft.
Diese Szene zeigt sich vor allem im Internet in Communitys wie Sklavenzentrale, in Szenemedien wie Zeitschriften und auf Veranstaltungen wie SM-Partys, Stammtischen und Erotikmessen. Mit der jährlich in Berlin stattfindenden
Folsom-Europe-Parade gibt es in Deutschland eine aus der Leder-Subkultur hervorgegangene Veranstaltung, die BDSM im Rahmen öffentlicher Straßenveranstaltungen thematisiert. Auch bei den zahlreichen CSD-Paraden ist die Szene mit Gruppen vertreten. BDSM-praktizierende Menschen nennen sich „BDSMler“, „SMler“ bzw. „SMer“ oder „Sadomasochisten“. Zur Unterscheidung von dominanten und devoten Personen werden vor allem im Internet die Namen (Pseudonyme, Nicknames) häufig in großen (dominant) und kleinen (submissiv) Anfangsbuchstaben geschrieben.
Symbole
BDSM- und Fetisch-Motive haben sich im Alltagsleben der westlichen Gesellschaften durch so unterschiedliche Faktoren wie avantgardistische Mode, Rap, Hip-Hop, Heavy Metal, Science-Fiction-Fernsehserien und Spielfilme immer weiter ausgebreitet und werden von vielen Menschen bereits nicht mehr bewusst mit ihren BDSM-Wurzeln in Verbindung gebracht. Die Verwendung von Intimpiercings ist mittlerweile, nachdem sie noch in den 1980er Jahren überwiegend auf die Punk- und BDSM-Szene beschränkt war, ebenfalls nicht mehr rein szenetypisch, sondern in weiten Bevölkerungskreisen verbreitet.
Die Leather-Pride-Flagge ist ein Symbol, das neben der Lederbewegung auch immer häufiger für die BDSM-Szene steht. Das im angelsächsischen Raum verbreitete Triskelion namens BDSM-Emblem ist in den deutschsprachigen Ländern eher selten anzutreffen. Der sogenannte Ring der O findet sich auch in der Gothic-Szene und als Modeschmuck wieder.
Vorurteile
Es existieren zahlreiche Vorurteile, Klischees und Stereotype bezüglich BDSM in der Öffentlichkeit. Keine Seltenheit sind Missverständnisse, die daraus resultieren, dass „Vanillas“ nicht wie BDSMler zwischen dem wirklichen Leben und dem Praktizieren von BDSM unterscheiden. So gehen manche davon aus, dass Submissive im BDSM auch im sonstigen Leben gerne Schmerz und Erniedrigung erfahren würden, und dass Dominante im Alltagsleben auch wie im BDSM dominant seien. Umgekehrt behauptet ein anderer Mythos, Submissive und Dominante würden im BDSM genau das Gegenteil ihres echten Lebens praktizieren – so seien die Kunden von Dominas meist erfolgreiche Geschäftsmänner. Beide Positionen sind jedoch einseitig. Zwischen der Stellung im Alltag und im BDSM-Spiel kann, muss aber kein Zusammenhang bestehen.
Aus der BDSM-Praxis kennen viele Personen vor allem das Erkaufen sadomasochistischer Dienstleistungen von Dominas durch männliche Kunden, hieraus entspringen ebenfalls viele Klischees. Ein weiteres verbreitetes Klischee geht davon aus, dass innerhalb des BDSM Frauen grundsätzlich den Mann dominieren, was jedoch nicht zwingend der Fall ist; ebenso wird BDSM häufig auf körperlichen Schmerz meist grober Natur reduziert, ohne den vielen unterschiedlichen Spielweisen gerecht zu werden, die auf anderen Effekten beruhen. Neben dem Klischee der peitscheschwingenden Domina stellt der in Leder gekleidete Sadomasochist ein ebenfalls weitverbreitetes Rollenklischee dar.
Während es immer wieder zu Überschneidungen mit unterschiedlichsten Formen des Fetischismus kommen kann, besteht entgegen landläufiger Meinung kein zwangsläufiger Zusammenhang zwischen BDSM und Fetischen wie zum Beispiel Latex, Lack und Leder. Das häufige Vorkommen derartiger Kleidungsstücke lässt sich teilweise mit der Funktion als quasi-formalisierter Dresscode erklären. Die relative Offenheit gegenüber alternativen sexuellen Lebensstilen führt dazu, dass Fetischismus im Umfeld von BDSM häufig wesentlich offener ausgelebt wird als in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen.
Ein weiteres weitverbreitetes Vorurteil ergibt sich daraus, dass man im BDSM nur die Ausübung körperlicher und geistiger Gewalt sieht, während eine tiefe emotionale Verbundenheit zwischen den beteiligten Partnern für viele Außenstehende angesichts ihnen vordergründig als bloße Gewalt erscheinender Handlungen zunächst nicht vorstellbar erscheint.
Da der Begriff BDSM mehrere, in ihren möglichen Ausprägungen zum Teil sehr unterschiedliche Teilaspekte umfasst und diese bei Einzelnen in sehr verschiedenen Schwerpunkten vorkommen, ist das Spektrum der auftretenden Interessen und Persönlichkeiten sehr groß und ausgesprochen uneinheitlich. Aufgrund mangelnder Informationen in der Gesamtbevölkerung führt dies, zusammen mit weitverbreiteten Vorurteilen, häufig dazu, dass Handlungen und Aussagen einzelner BDSM-Praktizierender zugleich allen anderen zugeschrieben werden.
Coming-out
Bei einigen Personen, die sich von durch den Begriff BDSM umschriebenen Situationen angezogen fühlen, kommt es im Laufe ihres Lebens zum so genannten Coming-out. Während sich Homosexuelle auch in der Öffentlichkeit zunehmend zu ihrer sexuellen Ausrichtung bekennen, halten sich Sadomasochisten noch immer vergleichsweise bedeckt. Obwohl je nach Erhebungsbasis etwa 5 bis 25 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung entsprechende Neigungen aufweisen,
1213 sind abgesehen von einigen Künstlern so gut wie keine Prominenten als Sadomasochisten bekannt. Ein entsprechendes Bekanntwerden der eigenen Neigungen kann für Sadomasochisten noch immer verheerende berufliche und gesellschaftliche Auswirkungen haben (Persona non grata). Die Ursache hierzu sehen einige Autoren in einer Mischung aus mangelnder Aufklärung der Öffentlichkeit, reißerischer Berichterstattung in den Medien und der massiven Kritik seitens einiger Feministinnen, deren Aufrufe zu Gesetzesverschärfungen Anhänger von BDSM beispielsweise in der Schweiz an den Rand der Legalität drängen. Innerhalb feministischer Kreise lässt sich die Auseinandersetzung zwischen
sadophoben und solchen Feministinnen mit einer BDSM gegenüber neutralen bis positiven Grundhaltung bis in die 1970er Jahre zurückverfolgen (dazu Samois).
14 Dass das Bekanntwerden privaten Engagements in diesem Bereich noch immer zu erheblichen beruflichen Problemen führen kann, zeigt exemplarisch der Fall des UN-Waffeninspekteurs Jack McGeorge aus dem Jahre 2003.
Auch Beispiele wie der Spanner Case in Großbritannien zeigen, dass eine Stigmatisierung der Betroffenen als Illegale möglich ist. Hier ist ein wichtiger Unterschied zu der nur ansatzweise vergleichbaren Situation Homosexueller zu sehen. Der im Einzelfall entstehende Leidensdruck wird in der Regel öffentlich weder thematisiert noch zur Kenntnis genommen, führt jedoch oft zu einer schwierigen psychologischen Situation, in der die Betroffenen einem hohen emotionalen Stress ausgesetzt sind.
15Die erste Phase des „Sich-bewusst-Werdens“ oder das „Sich-Selbst-Eingestehens“ stellt die Erkenntnis oder aber auch die Entscheidung dar, dass man für BDSM-Szenarien offen ist, bzw. entsprechende Bedürfnisse klar für sich selbst einordnen kann. Sie wird auch als inneres Coming-out bezeichnet. Bei zwei dazu durchgeführten Befragungen kamen die Autoren unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass sich 58 %
16 bzw. 67 %
17 der Gesamtstichprobe bis zum 19. Lebensjahr über ihre Veranlagung bewusst geworden waren. Andere Befragungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen.
Unabhängig vom Alter kann das Coming-out manchmal in eine Lebenskrise führen, die sich bis hin zu Selbsttötungsabsichten oder realisierter Selbsttötung steigern kann. Im Gegensatz zu den durch Homosexuelle in jahrzehntelanger Arbeit aufgebauten Netzwerken existiert ein rein sadomasochistisches Beratungsnetz in Deutschland erst
18 in Ansätzen. Hier spielt das Internet als erste Anlaufstelle eine wichtige Rolle zur Vernetzung der Beteiligten, wie auch die Situation in den USA zeigt. Die dortige Organisation
Kink Aware Professionals (KAP) bietet hilfesuchenden BDSM-Anhängern die Möglichkeit, Kontakte zu Ärzten, Psychologen und Juristen zu finden, die mit den Besonderheiten der Thematik vertraut sind und dem Thema offen gegenüberstehen.
Auch in Deutschland finden sich mittlerweile erste entsprechende Vernetzungen, beispielsweise über die Initiative des BDSM Berlin. Auch die von SMart Rhein-Ruhr und maydaySM e. V. angebotenen BDSM-Notfalltelefone bietet Menschen, die im Zusammenhang mit BDSM in Not geraten sind, erste Hilfestellung und Beratung. Jugendlichen, die sich für die Thematik BDSM interessieren, steht in vielen deutschen Städten die auf Jugendarbeit spezialisierte Gruppe SMJG als Ansprechpartner zur Verfügung.
Nachdem sich in den USA und in Großbritannien mit der
National Coalition for Sexual Freedom (NCSF) bzw. der
Sexual Freedom Coalition (SFC) erste Interessenvertretungen gebildet haben, die es sich zur Aufgabe machen, proaktive Öffentlichkeitsarbeit zum Thema BDSM zu betreiben, zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung auch im deutschsprachigen Raum ab. Hierbei treten nach außen hin häufig die größeren regionalen Vereine wie BDSM Berlin und SMart Rhein-Ruhr, aber auch die 2003 gegründete Bundesvereinigung Sadomasochismus mit der Entwicklung von Informationsmaterial und Pressearbeit in Erscheinung. Mit der seit 1996 betriebenen Website und Mailingliste Datenschlag entstand im Internet die weltweit größte Bibliografie sowie eine der ausführlichsten historischen Quellensammlungen zum Thema BDSM.
SM-Partys und -Clubs
SM-Partys sind Veranstaltungen, auf denen sich BDSM-Anhänger und Interessierte treffen, um zu kommunizieren, Erfahrungen und Erlebnisse auszutauschen und zu „spielen“. Die Partys ähneln oft denen der Schwarzen Szene mit mehr oder minder striktem Dress-Code; in der Regel ist das frivole Kleidung bzw. Teilbekleidung aus Lack (Vinyl, PVC), Leder, Latex, Lycra o. Ä., die deutlich körperbetonend wirkt bzw. die primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale besonders hervorhebt. Ziel solcher Dresscodes ist es, eine erotisierende Stimmung zu erzeugen und Spanner fernzuhalten.
19 BDSM wird auf diesen Partys öffentlich, beispielsweise auf einer Bühne, oder mehr oder weniger privat in Separees ausgelebt.
20 Geschlechtsverkehr steht hierbei nicht im Mittelpunkt der Aktivitäten. Ein Grund für die relativ große Verbreitung dieser Art von Veranstaltungen ist das dortige Vorhandensein von „Spielgeräten“, denen in den meisten Wohnungen kein Platz eingeräumt wird, wie beispielsweise Slings, Andreaskreuze, Strafböcke oder Käfige. Weiterhin besteht im Allgemeinen an diesen Orten auch nicht das Problem einer Lärmbelästigung, wodurch im privaten Rahmen viele BDSM-Aktivitäten eingeschränkt werden können. Solche Partys bieten außerdem sowohl Exhibitionisten als auch Voyeuren ein Forum, ihre Neigung ohne soziale Ablehnung auszuleben. BDSM-Partys gibt es mittlerweile in jeder größeren Stadt.
In einigen Städten existieren spezielle BDSM-Clubs (wie der Hamburger Club de Sade) mit einem mehr oder weniger regelmäßigen Programm, in dem sich Themen-Partys mit themenfreien „Spielabenden“ abwechseln, analog zum Geschäftsbetrieb herkömmlicher Diskotheken. Die soziale Kontrolle auf diesen Partys bzw. in den Clubs ist jedoch in der Regel weitaus höher als in einer normalen Diskothek. Auf Konsensualität bei öffentlichen SM-Spielen wird strikt geachtet.
Neben kommerziellen Veranstaltungen gibt es auch privat organisierte bzw. nicht oder nur mäßig gewinnorientierte Partys, die von BDSM-Gruppen und Einzelpersonen organisiert werden. Minderjährige haben weder zu Partys noch in Clubs Zutritt.
Empirie und Psychologie
Vorkommen
BDSM wird von allen Schichten der Gesellschaft praktiziert und kommt sowohl bei heterosexuellen als auch bei homosexuellen Männern, Frauen und Transgendern in unterschiedlichsten Ausprägungen und Intensitäten vor. Zur generellen Rolle von Frauen in der sadomasochistischen Subkultur gibt es ausführliche Darstellungen in der einschlägigen Literatur.
2122 Diese reichen von „Fesselspielchen“ szenefremder Paare im heimischen Schlafzimmer, die sich selbst mit dem Begriff BDSM nicht bewusst in Verbindung bringen, bis hin zu öffentlich inszenierten „Klinikspielen“ und Vorführungen auf Partys und öffentlichen Großveranstaltungen, wie beispielsweise auf den international in mehreren Großstädten stattfindenden Folsom-Paraden.
Der Frauenanteil liegt merklich höher als bei den meisten anderen ehemals als Paraphilie eingeordneten Verhaltensweisen. Die Schätzungen über den Anteil sexueller Vorlieben aus dem Bereich BDSM in der Bevölkerung reichen von fünf bis 25 Prozent, je nach der Art der Fragestellung. Eine 1997 veröffentlichte nicht-repräsentative Untersuchung auf Fragebogenbasis über die sexuellen Gewohnheiten US-amerikanischer Studierender kam bei einer Antwortquote von knapp 8,9 Prozent zu dem Ergebnis, dass 15 Prozent der bekennenden homosexuellen Studenten, 21 Prozent der bekennenden lesbischen und bekennenden bisexuellen Studentinnen, elf Prozent der heterosexuellen Studenten und neun Prozent der heterosexuellen Studentinnen BDSM-Phantasien angaben.
13 Praktische Erfahrungen mit BDSM gaben in allen Gruppen um die sechs Prozent der Befragten an. In der Gruppe der bekennenden bisexuellen und bekennenden lesbischen Frauen lag die Quote mit 21 Prozent erheblich höher. Unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung waren unter den Befragten etwa zwölf Prozent aller befragten Studenten, 16 Prozent der bekennenden bisexuellen und bekennenden lesbischen Studentinnen und acht Prozent der heterosexuellen Studentinnen an Spanking interessiert. Erfahrung mit dieser sexuellen Praktik gaben 30 Prozent der heterosexuellen Männer, 33 Prozent der bekennenden bisexuellen und bekennenden lesbischen Frauen, sowie 24 Prozent der bekennenden schwulen und bekennenden bisexuellen Männer und der heterosexuellen Frauen an.
13 Auch wenn diese Studie mit einer Erhebungsbasis von 1752 antwortenden von 20.000 befragten US-amerikanischen, zielgruppenspezifischen Teilnehmern keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben kann, weisen auch andere Untersuchungen auf ähnliche Größenordnungen in verschiedenen befragten Gruppen hin.
232425Durch eine gesteigerte Medienberichterstattung seit ungefähr Mitte der 1990er Jahre sind einige Elemente des BDSM popularisiert worden. So finden sich sowohl schwarze Lederbekleidung als auch sexuelle Spiele wie Fesseln und Dominanz-Rollenspiele zunehmend auch außerhalb von BDSM-Bezügen wieder. Laut einer Befragung von 317.000 Personen in 41 Ländern verwendeten rund 20 Prozent der weltweit Befragten bereits einmal Masken, Augenbinden oder sonstige Bondage-Utensilien, fünf Prozent bekannten sich ausdrücklich zu Sadomasochismus, im Jahr zuvor bekannten sich weltweit 19 Prozent der Befragten zu praktiziertem Spanking und 22 Prozent zum Gebrauch von Augenbinden und/oder Handschellen.
2627 Einige BDSM-Accessoires wie den „Ring der O“ kann man mittlerweile auch in den Schmuckkollektionen bekannter internationaler Designer wie Calvin Klein finden.
Psychologische Einordnung
Früher wurden viele der innerhalb von BDSM gelebten Praktiken generell dem Sadismus oder dem Masochismus zugerechnet und im Sinne einer Triebstörung seitens der Psychiatrie als krankhaft eingeschätzt. So gilt Sadomasochismus nach ICD-10 als „Störung der Sexualpräferenz“ (Schlüssel F65.5), die dort wie folgt beschrieben wird:
28Erst mit dem Erscheinen des DSM IV im Jahr 1994 wurden Diagnosekriterien veröffentlicht, nach denen BDSM eindeutig nicht mehr als Störung der Sexualpräferenz angesehen wird. Die Diagnose Sadismus oder Masochismus darf demnach hinsichtlich der sexuell motivierten Ausprägung dieser Störungen nur noch gestellt werden, wenn der Betroffene anders als durch die Ausübung sadistischer oder masochistischer Praktiken keine sexuelle Befriedigung erlangen kann, oder seine eigene sadistisch oder masochistisch geprägte Sexualpräferenz selbst ablehnt und sich in seinen Lebensumständen eingeschränkt fühlt oder anderweitig darunter leidet. Eine Überlagerung von sexuellen Präferenzstörungen und der Ausübung von BDSM-Praktiken kommt jedoch vor.
Am 24. April 1995 entfernte Dänemark als erster Mitgliedsstaat der Europäischen Union Sadomasochismus vollkommen aus seinem nationalen Klassifikationssystem für Krankheitsbilder, im Januar 2009 folgte Schweden.
2930Neuere Untersuchungen zum Thema Verbreitung von BDSM-Phantasien und -Praktiken schwanken erheblich in der Bandbreite ihrer Ergebnisse. Zusammenfassend lässt sich jedoch feststellen, dass die überwiegende Mehrheit der Autoren davon ausgeht, dass zwischen fünf und 25 Prozent der Bevölkerung regelmäßig Sexualpraktiken ausübt, die mit der Lust an Schmerzen, bzw. mit Macht und Ohnmacht in Verbindung stehen. Der Bevölkerungsanteil mit entsprechenden Phantasien wird sogar regelmäßig höher beziffert.
31Es existieren nur wenige Studien, die psychologische Aspekte des Themas BDSM unter Berücksichtung moderner wissenschaftlicher Standards betrachten. Eine zentrale Untersuchung zu dem Thema stammt von dem US-amerikanischen Sexualwissenschaftler Charles Moser und wurde 1988 im
Journal of Social Work and Human Sexuality veröffentlicht.
31 Er kommt zu dem Schluss, dass es generell an Daten über die psychischen Probleme von BDSM-Anhängern fehlt, sich aber dennoch einige grundsätzliche Tatsachen herauskristallisieren. Er betont, dass es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass BDSM-Anhänger gemeinsame Symptome oder irgendeine gemeinsame Psychopathologie haben und auch aus der klinischen Literatur kein konsistentes Bild von BDSM-Anhängern hervorgegangen ist. Moser weist darauf hin, dass nicht nachgewiesen werden kann, dass BDSM-Anhänger überhaupt irgendwelche besonderen psychiatrischen oder gar auf ihren Vorlieben beruhenden, spezifisch nur bei ihnen auftretende Probleme haben, die im direkten Zusammenhang mit ihrer Orientierung stehen.
Eine Untersuchung aus dem Jahr 2008 bestätigte allerdings einen Zusammenhang zwischen dem Persönlichkeitsmerkmal Experience Seeking (Bedürfnis nach neuen und starken Reizen) und tatsächlich praktiziertem BDSM.
32Probleme treten teilweise in Bezug auf die Einordnung der eigenen Neigungen durch die Betroffenen auf. So ist die Frage nach der eigenen „Normalität“ gerade in der Phase des eigenen Coming-out (siehe auch dort) häufig. Gerade in Beziehungen mit „Vanillas“ kann das Entdecken entsprechender Neigungen nach Moser die Furcht vor einer Zerstörung der aktuellen Beziehung nach sich ziehen. Dies, zusammen mit der Furcht vor Diskriminierung im Alltag, führt bei einigen BDSM-Anhängern zu einem teilweise sehr belastenden Doppelleben. Zugleich kann das Verleugnen von BDSM-Neigungen jedoch auch zu Stress und Unzufriedenheit mit dem sogenannten „Vanilla“-Lebensstil führen und erweckt bei einigen Betroffenen die Befürchtung, keinen Partner zu finden. Hierzu stellt Moser fest, dass BDSM-Anhänger, die Probleme beklagen, BDSM-Partner zu finden, zumeist auch Probleme haben, Nicht-BDSM-Partner zu finden. Der Wunsch, die entsprechenden Neigungen abzulegen, ist ein weiterer möglicher Grund für psychische Probleme der Betroffenen, da dies in der Regel nicht möglich ist. Der Wissenschaftler stellt in seiner Arbeit abschließend fest, dass BDSM-Anhänger nur selten Gewalttaten begehen. Aus seiner Sicht steht die eventuelle Beteiligung von BDSM-Anhängern an gewaltsamen Handlungen meist in keinem Zusammenhang mit der in ihrem Leben vorhandenen BDSM-Komponente.
Moser kommt in seiner Arbeit zusammenfassend zu dem Schluss, dass keinerlei wissenschaftliche Grundlage existiert, die es begründen könnte, Personen dieser Gruppe Arbeits- oder Sicherheitsbescheinigungen, Adoptionsmöglichkeiten, Sorgerechte oder andere gesellschaftliche Rechte oder Privilegien zu verwehren. Auch der Schweizer Psychoanalytiker Fritz Morgenthaler stellte in seiner Abhandlung
Homosexualität – Heterosexualität – Perversion (1984) fest, dass eventuelle Probleme nicht notwendigerweise aus der normabweichenden Neigung, sondern in der Regel primär aus der tatsächlichen oder zu Recht befürchteten Reaktion der Umwelt auf die Neigung resultieren.
33 Eine australische Umfragestudie mit über 19.000 eingereichten Antwortfragebögen kam zu dem Schluss dass eine BDSM-Neigung und die Auslebung derer als reguläre sexuelle Spielart einer Minderheit anzusehen sei. Ein Zusammenhang mit psychologischen Traumata und Problemen mit Sexualität bestehe nicht.
34Zu demselben Ergebnis kam implizit bereits 1940 der Psychoanalytiker Theodor Reik in seinem bis heute aktuellen Standardwerk
Aus Leiden Freuden. Masochismus und Gesellschaft.
Geschichte
Historische Wurzeln
Praktiken des BDSM bezeugen bereits einige der ältesten Keilschrifttafeln der Welt, verbunden mit Ritualen zu Ehren der Göttin Inanna (Ištar in Akkadisch). Keilschrifttexte belegen, dass die frühen sumerischen Stadt-Könige Rituale durchführten, in welchen sie sich der Göttin (bzw. deren Priesterin als Manifestation der Göttin) unterzuordnen hatten. Es wird auch auf alte Schriften wie Inanna und Ebih verwiesen, in welcher Cross-Dressing-Transformationen und Rituale erwähnt werden, welche „von Schmerz und Ekstase durchdrungen, was zur Initiation des Ensis (Stadtfürsten) und zu Reisen mit veränderten Bewusstseinszuständen führte. Strafe, Stöhnen, Ekstase, Klagen und Gesang, die Teilnehmer strengten sich im Weinen und Trauern an“.
Seit dem 9. Jahrhundert v. Chr. wurde in Artemis Orthia – einer der bedeutendsten religiösen Stätten der antiken griechischen Stadt Sparta – mit dem Kult der Orthia eine präolympische Religion praktiziert. Hierbei kam es zu regelmäßigen diamastigosis genannten rituellen Flagellationen. Eines der ältesten grafischen Zeugnisse sadomasochistischer Praktiken stammt aus einem etruskischen Grab in Tarquinia. In der Tomba della Fustigazione (Grab der Züchtigung, Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr.) sind zwei Männer dargestellt, wie sie eine Frau beim Liebesspiel mit einer Rute und mit der Hand schlagen.
3738 Ein anderes Zeugnis über Flagellation findet sich im 6. Buch der
Satiren des antiken römischen Dichters Juvenal (1. bzw. 2. Jahrhundert n. Chr.), ein weiteres Zeugnis findet sich im
Satyricon von Petronius, wo zur sexuellen Erregung eines Delinquenten gepeitscht wird.
394041 Anekdotische Erzählungen über Menschen, die sich im Rahmen des Vorspiels oder als Ersatz für Sex freiwillig fesseln oder auspeitschen ließen, reichen bis ins 3. und 4. Jahrhundert zurück.
Im Kamasutra werden vier Schlagarten beim Liebesspiel, die für Schläge zulässigen Trefferzonen des menschlichen Körpers und die Arten der lusterfüllten Schmerzenslaute des Bottoms dargestellt. Die Textsammlung weist ausdrücklich darauf hin, dass Schlagspiele genauso wie Kneifen und Beißen beim Geschlechtsverkehr nur in gegenseitiger Übereinstimmung stattfinden dürfen, da sie nicht von allen Frauen als lustvoll empfunden werden. Aus dieser Sicht dürfte das Kamasutra den ersten schriftlich überlieferten Text über SM-Praktiken und -Sicherheitsregeln darstellen.
42 Weitere Texte mit sadomasochistischen Bezügen tauchten im Laufe der Jahrhunderte weltweit immer wieder auf.
Einige Autoren sehen das mittelalterliche Phänomen der höfischen Liebe in all seiner sklavischen Unterwerfung und Hingabe als weiteren, zumindest teilweisen Vorläufer von BDSM.
43 Andere Quellen sehen BDSM als eine spezielle Art des Sexualverhaltens, welche ihren Ursprung am Anfang des 18. Jahrhunderts hat, als es in den westlichen Gesellschaften üblich wurde, Sexualverhalten medizinisch und juristisch zu kategorisieren (vgl. Begriffsgeschichte). Berichte über auf Flagellation spezialisierte Bordelle reichen sogar bis zum Jahr 1769 zurück, und in John Clelands Roman
Fanny Hill aus dem Jahre 1749 werden ebenfalls Flagellationsszenen beschrieben.
44Andere Quellen verwenden eine wesentlich weiter gehende Definition und schildern BDSM-ähnliches Verhalten in noch früheren Epochen und aus ganz anderen Kulturräumen, beispielsweise die mittelalterlichen Flagellanten oder die Gottesgerichte einiger amerikanischer Indianervölker.
45Obwohl die Namen Marquis de Sade und Leopold von Sacher-Masoch eng mit den Begriffen Sadismus and Masochismus verbunden sind, ist es doch gerade im Fall de Sades offensichtlich, dass sich dessen Biographie und Verhaltensweisen mit dem für das moderne Verständnis des heutigen BDSM ganz wesentlichen Begriff der Freiwilligkeit nicht in Übereinstimmung bringen lassen.
46Die Wurzeln der modernen BDSM-Kultur liegen im Dunkeln. BDSM-Motive und Bilder haben während des gesamten 20. Jahrhunderts an den Rändern der westlichen Kultur existiert. Robert Bienvenu sieht die Wurzeln des modernen BDSM in drei wesentlichen Quellen, die er als „europäischen Fetisch“ (seit 1928), „amerikanischen Fetisch“ (seit 1934) und „schwule Lederbewegung“ (seit den 1950er Jahren) bezeichnet.
47Eine andere Wurzel sind die in Bordellen ausgeübten Sexualpraktiken, die bis ins 19. Jahrhundert, wenn nicht noch früher zurückreichen. Während der 1950er und 1960er Jahre produzierte Irving Klaw die ersten Reklamefilme und Fotografien mit BDSM-Motiven und veröffentlichte erstmals Comics der heute berühmten Bondage-Künstler John Willie und Eric Stanton. Sein Modell Bettie Page wurde zugleich eines der ersten erfolgreichen Modelle im Bereich Fetischfotografie und eines der berühmtesten Pinup-Girls des US-amerikanischen Mainstreams. Der von Willie inspirierte italienische Graphiker und Autor Guido Crepax prägte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend den Stil europäischer Erwachsenencomics. Die Künstler Helmut Newton
48 und Robert Mapplethorpe sind die prominentesten Beispiele für die zunehmende Verwendung von BDSM-Motiven in der modernen Fotografie und die sich hieraus noch immer ergebende öffentliche Diskussion.
49
Lederbewegung
Weite Teile des heutigen BDSM-Gedankenguts lassen sich auf die Subkultur der männliche homosexuelle Lederszene, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus der US-amerikanischen Motorradfahrer-Subkultur entwickelte, zurückführen.
5051In seinem 1972 veröffentlichten Buch
Leatherman’s Handbook fasste Larry Townsend diese Ideen zusammen, die man später als „Old Guard“-Lederbewegung bezeichnen sollte. Der in diesem Werk beschriebene Verhaltenskodex basierte auf strengen Formvorschriften und festgeschriebenen Rollen in Bezug auf das Verhalten der Beteiligten (beispielsweise kein Switchen) und hatte noch keinen echten Bezug zu Lesben und Heterosexuellen.
Erst der 1981 in den USA von der lesbisch-feministischen BDSM-Organisation Samois veröffentlichte Titel
Coming to Power führte schließlich auch in der lesbischen Gemeinschaft zu einer höheren Akzeptanz und zu mehr Verständnis des Themas BDSM. In Deutschland vertraten die entsprechenden Vertreterinnen auch innerhalb der Frauenbewegung die Auffassung, dass BDSM und Feminismus miteinander vereinbar sind. Sie gerieten hierbei mit dem Teil der Bewegung um Alice Schwarzer in Konflikt, der in BDSM die Grundlage von Frauenhass und Gewaltpornografie sieht.
Die Lederbewegung wird heute meistens eher als Teilmenge der BDSM-Kultur betrachtet, anstatt als eine aus der Schwulenkultur stammende Entwicklung, obwohl in der Vergangenheit ein großer Teil der organisierten BDSM-Subkultur tatsächlich homosexuell war. Die sogenannte New-Guard-Lederbewegung entstand in den 1990er Jahren als Reaktion auf die der Old-Guard-Lederbewegung zugrunde liegenden Beschränkungen. Diese neue Ausrichtung begrüßte das Switchen und begann einerseits, geistige Aspekte in ihr Spiel zu integrieren und andererseits zunehmend die strikte Rollenauffassung und Ablehnung von Heterosexuellen und Frauen durch die alte Bewegung aufzugeben.
Internet
In der Mitte der 1990er Jahre bot erstmals das Internet die Gelegenheit, rund um die Welt, aber gerade auch in den jeweiligen lokalen Regionen andere Menschen mit speziellen sexuellen Vorlieben zu finden und sich anonym mit ihnen auszutauschen. Dies führte geradezu zu einer Explosion in der Verbreitung von Informationen und dem Interesse am Thema BDSM. In dieser frühen Phase spielte insbesondere die Usenet-Gruppe
alt.sex.bondage eine Pionierrolle. Neben herkömmlichen Sexshops begannen in der Folgezeit immer mehr Anbieter in Online-Sexshops auch BDSM-Spielzeug in ihr Sortiment aufzunehmen oder sich gleich ausschließlich auf die sich immer klarer abzeichnende „neue“ Zielgruppe zu spezialisieren.
Das ehemalige Nischensegment entwickelte sich so zu einem festen Bestandteil des Geschäftes mit Erotikzubehör. Heute führen praktisch alle wichtigen deutschen Anbieter von Sexspielzeug Artikel, die ursprünglich überwiegend in der BDSM-Subkultur Verwendung fanden. Gepolsterte Handschellen, Latex-, Lack- und Lederbekleidung sowie exotischere Gegenstände wie beispielsweise Streichel-Peitschen und Reizstromgeräte zur erotischen Elektrostimulation finden sich in Angebotskatalogen, die sich an eine klassische „Vanilla“-Zielgruppe wenden und zeigen so, dass sich einige Grenzen zunehmend verschieben.
Seit einigen Jahren hat sich das Internet zum zentralen Instrument der Vernetzung Interessierter entwickelt. Neben unzähligen privaten und kommerziellen Webangeboten finden sich zunehmend auch Angebote von zahlreichen Vereinen und Selbsthilfegruppen. Diese bieten neben umfangreichen Hintergrundinformationen auch Hilfe bei unfreiwilligem Outing und Gesundheitsfragen, sowie Kontaktlisten zu mit dem Thema vertrauten Psychologen, Medizinern und Rechtsanwälten.
Begriffsgeschichte
Die Entwicklung des Begriffs BDSM ist vielschichtig. Ursprünglich waren Sadismus und Masochismus reine Fachausdrücke für psychologische Erscheinungen, die als psychische Erkrankung eingestuft wurden. Die Begriffe leiten sich von den Autoren Marquis de Sade und Leopold von Sacher-Masoch ab. 1843 veröffentlichte der ungarische Arzt Heinrich Kaan unter der Bezeichnung
Psychopathia sexualis eine Schrift, in der er die Sündenvorstellungen des Christentums in medizinische Diagnosen umwandelt. Die ursprünglich theologischen Begriffe „Perversion“, „Aberration“ und „Deviation“ wurden so erstmals Teil der Wissenschaftssprache. Der deutsche Psychiater Richard von Krafft-Ebing führte in seiner Schrift
Neue Forschungen auf dem Gebiet der Psychopathia sexualis 1890 die Begriffe „Sadismus“ und „Masochismus“ erstmals in die Medizin ein.
52 Nachdem Sigmund Freud 1905 in seinen
Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie Sadismus und Masochismus als aus einer fehlerhaften Entwicklung der kindlichen Psyche entstehende Krankheiten dargestellt hatte und so die weitere Beurteilung des Themas auf Jahrzehnte hinaus grundlegend beeinflusste, prägte schließlich 1913 der Wiener Psychoanalytiker Isidor Sadger in seinem Artikel
Über den sado-masochistischen Komplex erstmals den zusammengesetzten Begriff „Sado-Masochismus“.
53Erwin J. Haeberle, Präsident der DGSS, problematisierte diese ursprünglich von singulären historischen Figuren abgeleiteten Begrifflichkeiten, die zugleich einen pathologischen Bezug beinhalteten. Masoch protestierte vergeblich dagegen, dass sein Name für eine simplifizierende Schublade herhalten musste. Nach Haeberle hätten Benennungen für Homosexualität als „Leonardismus“, „Michelangelismus“ oder „Tschaikowskyismus“ nicht den Diskurs versachlicht, sondern nur die jeweilige historische Persönlichkeit herabgewürdigt.
54Die BDSM-Szene distanziert sich heute stark von de Sade, da dessen amoralische Philosophie nicht mit den moralischen Prinzipien RACK oder SSC vereinbar ist. Die BDSM-Szene versuchte sich mit dem Ausdruck „B&D“ für Bondage und Discipline von dem pejorativ konnotierten Begriff „S&M“ abzugrenzen. Die Abkürzung BDSM wurde wahrscheinlich in den frühen 1990er Jahren in der Subkultur um die Newsgroup alt.sex.bondage geprägt. Sie ist dort im Juli 1991 zum ersten Mal nachweisbar. Später wurde auch der Bereich
Dominance and Submission in den Bedeutungsumfang von BDSM integriert, wodurch das heute gebräuchliche
55 mehrschichtige Akronym entstand.
Rechtlicher Status
Es hängt sehr von der Rechtslage einzelner Staaten ab, ob Praktiken aus dem BDSM keine rechtliche Relevanz haben oder eine Straftat darstellen können. Eine eventuelle Strafbarkeit einvernehmlich ausgeführter BDSM-Praktiken resultiert zumeist daraus, dass Praktiken wie Schlagen, Fesseln normalerweise die Persönlichkeitsrechte verletzen, weswegen sie grundsätzlich immer bestraft werden. In Deutschland, den Niederlanden, in Japan und in den skandinavischen Ländern stellen diese Praktiken grundsätzlich keine Straftat dar. In Österreich gibt es keine gefestigte Rechtslage, während in der Schweiz BDSM-Praktiken teilweise strafbar sein können. Spektakuläre Fälle wie der amerikanische Skandal um People v. Jovanovic und der britische Spanner Case zeigen, in welche schwierigen Grenzbereiche das Thema Beteiligte und Behörden führen kann.
Auch in Ländern, in denen einvernehmliche BDSM-Praktiken gesetzlich erlaubt sind, können pornografische Darstellungen aus dem Bereich BDSM (wie pornografische Literatur, Comics, Zeichnungen, Fotografien oder Videos) unter den Begriff „Gewaltpornografie“ fallen und damit strafbar sein, in Deutschland beispielsweise unter StGB.
Deutschland
Mit gegenseitigem Einverständnis ausgeübte Praktiken aus dem Bereich BDSM sind in Deutschland im Regelfall nicht strafbar. Im Rahmen von Handlungen aus dem Bereich BDSM können folgende Straftatbestände relevant werden:
- Sexuelle Nötigung ( StGB)
- Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen ( StGB)56
- Beleidigung ( StGB)
- Körperverletzung ( StGB)
- Gefährliche Körperverletzung ( StGB)
- Schwere Körperverletzung ( StGB)
- Freiheitsberaubung ( StGB)
- Nötigung ( StGB)
Für die Verwirklichung des Tatbestands der Nötigung muss die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit einem „empfindlichen Übel“ gegeben sein, im Falle der sexuellen Nötigung die Drohung mit einer Gefährdung für Leib und Leben. Sofern die Fortdauer der Handlung durch den Gebrauch eines Safewords unverzüglich beendet werden kann, sind beide Tatbestände nicht zu verwirklichen. Ähnliches gilt für den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen. Danach ist zu bestrafen, wer unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an einem anderen vornimmt. Solange der nötige Widerstand, die Fortdauer der Handlung zu unterbrechen, durch den Gebrauch des Safewords aufgebracht werden kann, ist der Tatbestand nicht zu verwirklichen, da eine echte Widerstandslosigkeit nicht besteht.
Eine Beleidigung kann gemäß StGB nur auf Antrag des Beleidigten verfolgt werden. Eine Freiheitsberaubung ist verwirklicht, wenn das Opfer gemäß objektiver Betrachtung in der Freiheit der Wahl seines Aufenthaltsortes eingeschränkt wird.
Nach StGB handelt derjenige, der eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Am 26. Mai 2004 entschied der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH), dass sadomasochistisch motivierte Körperverletzungen nicht an sich sittenwidrig sind und damit § 228 StGB prinzipiell bei sadomasochistischen Praktiken Anwendung findet.
57 Allerdings ist das „Urteil über die Sittenwidrigkeit im Einzelfall abhängig vom Grad der Rechtsgutverletzung“, mit anderen Worten von den drohenden gesundheitlichen Folgen der Körperverletzung. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist laut BGH auf jeden Fall überschritten, wenn „bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht wird.“ In dem Grundsatzurteil hob der BGH ein Urteil des Landgerichts Kassel auf, in dem ein Mann, der seine Partnerin auf deren Wunsch gewürgt und dabei unwillentlich erwürgt hatte, wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge hatte das Landgericht abgelehnt, da die Tat seiner Auffassung nach mit Einwilligung des Opfers geschehen sei.
Nachdem in der Vergangenheit sadomasochistische Praktiken in Sorgerechtsprozessen wiederholt als Druckmittel gegen ehemalige Partner eingesetzt worden waren, stellte das Oberlandesgericht Hamm im Februar 2006 fest, dass die sexuelle Neigung zum Sado-Masochismus der Erziehungsfähigkeit eines Elternteils nicht entgegensteht.
58 Die sexuelle Ausrichtung eines Elternteils sei grundsätzlich dessen Privatsache, es sei denn diese habe negative Auswirkungen auf das Kind. Die sexuelle Veranlagung eines Elternteils sei für sich alleine genommen keine Disqualifikation als Sorgerechtsinhaber. Beurteilungen von Lebenswandel und Moral seien ebenfalls immer nur in ihren Auswirkungen auf das Kind zu beurteilen, was je nach Altersstufe des Kindes unterschiedlich sein könne.
Ein mehrfach und erheblich vorbestrafter Neurochirurg, der unter der Adresse im Internet sein Profil mit der Aussage „dominant sadistisch“ versah und von zwei Patientinnen sadistischer Sexualpraktiken bezichtigt wurde, erhielt am 10. März 2010 von der Bezirksregierung einen Bescheid über den Widerruf seiner Approbation. Auf die Klage des Arztes hob das Verwaltungsgericht Arnsberg den Widerrufsbescheid der Bezirksregierung auf und gestattete ihm die Fortsetzung seiner ärztlichen Betätigung, weil durch sein Verhalten die Voraussetzungen für den Widerruf der ärztlichen Approbation nicht erfüllt seien.
59
Österreich
Nach StGB ist eine Körperverletzung ( StGB) oder eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit ( StGB, Bezug nehmend auf , Fahrlässige Tötung) nicht strafbar, wenn das „Opfer“ einwilligt und die Verletzung oder Gefährdung als solche nicht gegen die (aktuell geltenden) guten Sitten verstößt.
60 Eine
leichte Verletzung (im Urteil: „Striemen nach Fesselung und Auspeitschen“) ist
bei Einwilligung des „Opfers“ grundsätzlich
erlaubt.
61 Strafbar ist es auf jeden Fall, wenn es vorhersehbare
schwere Körperverletzungen61 ( StGB, das ist eine Gesundheitsschädigung oder eine Berufsunfähigkeit, die länger als 24 Tage dauert) oder den
Tod des „Opfers“ zur Folge hat. Im Zuge des Kampfs gegen die Beschneidung weiblicher Genitalien ist nach § 90 Abs 3 StGB eine Verletzung, welche geeignet ist eine „nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen“, explizit von einer möglichen Zustimmung ausgenommen. Bei der Gefährdung der körperlichen Sicherheit kommt es darauf an, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Verletzung auch tatsächlich eintritt. Ist die schwere Verletzung oder gar der Tod wahrscheinlich, so ist die Gefährdung jedenfalls strafbar.
Zum konkreten Fall der leichten Körperverletzung durch Handlungen im BDSM-Bereich gibt es allerdings keine gefestigte Rechtsprechung.
62 Es kann durchaus sein, dass der Oberste Gerichtshof im BDSM-Bereich auch leichte Körperverletzung abseits von Striemen als sittenwidrig und somit als strafbar ansieht. Ob eine Handlung gegen die guten Sitten verstößt, hängt in Österreich nämlich davon ab, ob einem vorbildlichen Menschen die Sorge um die Gesundheit des „Opfers“ wichtiger wäre als die Rücksicht auf dessen Wünsche. Es besteht also keine Rechtssicherheit.
Schweiz
Die sexuelle Mündigkeit beginnt in der Schweiz mit 16 Jahren, was auch für BDSM-Spiele gilt. Selbst Kinder (d. h. unter 16-jährige) machen sich nicht strafbar, sofern der Altersunterschied zwischen den Beteiligten unter drei Jahren liegt. Gewisse Praktiken erfordern jedoch die Einwilligung zur leichten Körperverletzung und sind deshalb erst ab 18 Jahren erlaubt. Seit der Verschärfung des Schweizerischen Strafgesetzbuches Art. 135 und 197 am 1. April 2002 ist in der Schweiz der Besitz von „Gegenständen oder Vorführungen […], die sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben“, strafbar. Dieses Gesetz kommt einer pauschalen Kriminalisierung von Sadomasochisten nahe, da bei so gut wie jedem Sadomasochisten Medien zu finden sind, die diesen Kriterien entsprechen. Kritiker bemängeln weiterhin, dass Sadomasochisten nach dem Wortlaut des Gesetzes in die Nähe von Pädophilen und Päderasten gestellt werden.
63
Großbritannien
Das britische Strafrecht kennt keine Einwilligung in Körperverletzung, entsprechende Handlungen sind auch einvernehmlich unter Erwachsenen illegal, diese Rechtslage wird auch durchgesetzt. Dies führt zu der etwas skurrilen Situation, dass Großbritannien und insbesondere London als Weltzentrum der eng verwandten Fetischismus-Szene gelten, es aber für die BDSM-Szene fast ausschließlich private und keine mit der deutschen
Spielparty-Szene vergleichbaren Veranstaltungen gibt. Dieser Umstand wird z. B. in dem Film Preaching to the Perverted komödiantisch aufs Korn genommen. Aufmerksamkeit erreichten vor allem mehrere Gerichtsverfahren, die unter der Bezeichnung Spanner Case zusammengefasst werden und als Vorlage für diesen Film gelten. Im Verlauf dieser Verfahren wurde eine Anzahl homosexueller BDSMler wegen der Ausübung einvernehmlicher sadomasochistischer Praktiken in Großbritannien verurteilt.
Am 19. Februar 1997 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bezüglich dieser Verfahren, dass jeder Staat eigene Gesetze gegen Körperverletzung erlassen darf, unabhängig davon, ob die Körperverletzung einvernehmlich ist oder nicht. Im Juni 2007 nutzte die britische Regierung diese Entscheidung, um auch Bild- und Filmmaterial, das entsprechendes einvernehmliches Verhalten unter Erwachsenen darstellt, im Rahmen der
Criminal Justice And Immigration Bill als
„Extreme Pornographie“ einzustufen und daher zu verbieten.
64
BDSM in Kultur und Medien
Presse
Veranstaltungen und Persönlichkeiten um BDSM kamen in einigen Fällen in das Rampenlicht der Berichterstattung:
- Die Berliner Zeitung berichtete über den Regierenden Bürgermeister und bekennenden Homosexuellen Klaus Wowereit unter der Überschrift „Wowereit und das Sado-Maso-Fest“, nachdem dieser ein Grußwort zur Folsom-Europe-Parade verfasst hatte. Die Zeitung sprach von einer „echt harten Nummer“, nachdem die lokale CDU das Grußwort Wowereits als „mit der Würde des hohen Amtes nicht vereinbar“ bezeichnet hatte und Flugblätter aufgetaucht waren, in denen behauptet wurde, Wowereit „verharmlose rassistische Vergewaltigungspornographie als Lebensfreude pur“. Im Jahr 2006 unterstützte der zu diesem Zeitpunkt um eine Wiederwahl kandidierende Wowereit die Veranstaltung erneut mit einem Grußwort. Sein konservativer Gegenkandidat Friedbert Pflüger erklärte hingegen, von ihm würde das Festival kein Grußwort bekommen, man müsse schon genau darüber nachdenken, welche Veranstaltung man mit einem Grußwort auszeichne.
- Die Münchner Abendzeitung titelte im Oktober 2005 „Aufstand gegen Sado-Maso-Party“ und berichtete im Innenteil unter der Schlagzeile „Sado-Maso-Party erregt Allgäuer“ über die Anmietung eines Schlosses durch einen Veranstalter von SM-Partys unter anderem: „Es war ein gigantischer Sündenpfuhl mit 150 Leuten“. Lokale Zeitungen hingegen berichteten, nach außen hin sei es bei der Veranstaltung so gesittet wie bei einer Familienfeier zugegangen. Bereits im Jahr zuvor hatte ein RTL-Kamerateam ohne Drehgenehmigung und mit versteckter Kamera Aufnahmen auf der gleichen Veranstaltung gemacht. Der Sender verglich damals die Party auf seiner Webseite mit dem Film Eyes Wide Shut.
- Nach dem Bekanntwerden des ehrenamtlichen BDSM-Engagements des UN-Waffeninspekteurs Jack McGeorge verglichen einige Kommentatoren BDSM wiederholt mit den Foltertechniken des Regimes Saddam Husseins, andere die heutige Diskriminierung von BDSM-Anhängern mit der Situation von Homosexuellen in der Vergangenheit.
Neben diesen Berichten existieren Pressemeldungen, in denen ebenfalls der Begriff „Sado-Maso“ gebraucht wird, ein Bezug zu BDSM jedoch nicht besteht oder von BDSMlern zurückgewiesen wird:
- Im Fall des als Kannibale von Rotenburg bekanntgewordenen Armin Meiwes kam es in vielen Boulevardblättern und Fernsehsendungen wochenlang immer wieder zu Hinweisen auf „Sado-Maso-Spiele“ des Täters mit seinem Opfer.
- Die von der Feministin Alice Schwarzer herausgegebene Zeitschrift EMMA setzte ihre PorNO-Kampagne gegen Frauenhass und Gewaltpornographie fort. In ihr vertritt Schwarzer unter anderem die Auffassung, dass sado-masochistische Praktiken generell mit verurteilenswerter Gewalt gegenüber Frauen gleichzusetzen sind. Der Fotograf Helmut Newton wurde in der Publikation erneut der „Pornografisierung der Modefotografie“ und „seiner darin ungehemmt ausgelebten sado-masochistischen Obsessionen“ beschuldigt.65
Von Seiten sadomasochistischer Organisationen und Medien wurde eine überwiegend einseitige Berichterstattung über BDSM bzw. über Personen und Ereignisse aus diesem Bereich kritisiert.
66 Die Interessenvertretung Bundesvereinigung Sadomasochismus (BVSM) bemängelte, dass Redakteure häufig die komplexen emotionalen Aspekte des Themas ignorierten und stattdessen vorwiegend die voyeuristische Sensationslust ihrer Zielgruppe durch Fokussierung auf verschiedene Praktiken und verwendete Gegenstände befriedigten. Sie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Interviews oft quotentauglich zusammengeschnitten und kommentiert wurden, so dass ein gänzlich anderer Gesamteindruck als in den Originalinterviews entstand.
Die BVSM vertritt in ihrer Stellungnahme die Auffassung, dass eine solche Berichterstattung bei den Lesern sensationsgieriges Interesse auf der einen Seite und Unverständnis bis Abscheu auf der anderen erzeugten. Die Organisation kritisiert, so würden Vorurteile zementiert anstatt, die Hintergründe klar darzustellen. Die Darstellung sei oft einseitig und undifferenziert und konzentriere sich mehr auf die extremen (Lustmord) und die glamourösen Aspekte (SM-Partys), statt tatsächlich über das Thema zu informieren.
Zeitschriften
In den letzten Jahrzehnten erschienen wiederholt regelmäßige Publikationen zum Thema BDSM. Neben Kleinstverlagen waren hier auch organisierte Gruppen und Vereine aktiv. Einige Publikationen waren
freies forum,
Lack & Leder,
Der gelbe Onkel,
Marquis,
Neue Gerichtszeitung,
„O“,
RS-Magazin,
Skin Two, und
Twilight. Die meisten Printmedien wurden zwischenzeitlich wieder eingestellt oder wechselten ins Internet.
Die erstmals 1988 als Vereinszeitschrift erschienenen
Schlagzeilen gelten heute als zentrales Magazin der deutschsprachigen BDSM-Subkultur. Die regelmäßig erscheinende Zeitschrift wird vom Charon-Verlag in Hamburg herausgegeben.
Belletristik
In der Literatur ist vor allem Sadomasochismus ein Dauerbrenner und hat einige Klassiker hervor gebracht, z. B.
Die Geschichte der O von Dominique Aury (unter dem Pseudonym Pauline Réage),
Justine von Marquis de Sade,
Venus im Pelz von Leopold von Sacher-Masoch oder die Kultcomics von Eric Stanton. Als literarisches Kuriosum zu erwähnen ist Marthas Brief an Leopold Bloom in
Ulysses von James Joyce. Der 1978 erschienene Roman
9 1/2 Wochen. Erinnerungen an eine Liebesaffäre von Elizabeth McNeill bildete die inhaltliche Grundlage für die sehr erfolgreiche Hollywoodverfilmung 9½ Wochen. Eine moderne deutschsprachige sadomasochistische Autobiografie ist
Dezemberkind von Leander Sukov aus dem Jahr 2005.
Zusammen mit der von der bekannten US-amerikanischen Autorin Anne Rice unter dem Pseudonym A. N. Roquelaure veröffentlichten drei Bände umfassenden
Dornröschen-Trilogie (
The Claiming of Sleeping Beauty, 1983),
Beauty’s Punishment (1984) und
Beauty’s Release (1985) zeigt sich hier, dass das Thema BDSM mittlerweile in der internationalen Literatur angekommen ist. Eine ab Juli 2006 unter der Bezeichnung
Bild-Erotik-Bibliothek veröffentlichte Literaturreihe der BILD und der Verlagsgruppe Random House ist der deutlichste Anhaltspunkt für das auch kommerzielle Potenzial der Thematik. Von neun Bänden der Reihe haben drei Titel den Schwerpunkt Sadomasochismus. 2011 erschien der erste Band der Trilogie
Shades of Grey der britischen Autorin E. L. James, der zum Bestseller wurde.
Sachbücher
Im November 1981 veröffentlichte die US-amerikanische feministische Lesben-Gruppe Samois unter dem Titel
Coming to Power: Writing and graphics on Lesbian S/M ein Buch, in dem sich Kurzgeschichten mit konkreten Hinweisen und Handlungsanleitungen abwechselten; es gilt als weltweit erstes BDSM-Handbuch. Sein Konzept wurde weltweit von vielen späteren Publikationen übernommen. Seit spätestens Ende der neunziger Jahre gibt es auch in Deutschland entsprechende Literatur, die sich sowohl an hetero- als auch an homosexuelle Lesergruppen richtet. Die bekannteste dieser Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum ist wahrscheinlich
Das SM-Handbuch von Matthias T. J. Grimme.
Mit dem Sachbuch
Die Wahl der Qual von Kathrin Passig und Ira Strübel ist seit 2000 erstmals auch eine Veröffentlichung auf dem Markt, die sich nicht an Personen aus der BDSM-Subkultur wendet, sondern weiten Bevölkerungskreisen eine breite Wissensbasis zum Themenbereich BDSM vermitteln und so Vorurteile abbauen will. Neben den Sachbüchern mit konkretem Praxisbezug gibt es eine umfangreiche Literatur zu mit dem Thema verbundenen wissenschaftlichen Publikationen (siehe unter Literatur).
Musik
Bereits im Jahr 1967 veröffentlichte die experimentelle Rockband The Velvet Underground das Lied
Venus in Furs, das – inspiriert durch die Novelle
Venus im Pelz von Leopold von Sacher-Masoch – zahlreiche Anspielungen auf BDSM-Praktiken enthält. Die britische Synthie Pop-Gruppe Depeche Mode veröffentlichen 1984 auf ihrem Album
Some Great Reward das Lied
Master and Servant u. a. mit folgenden Textzeilen:
There’s a new game / We like to play you see / A game with added reality / You treat me like a dog / Get me down on my knees // We call it master and servant. Es folgen weitere Lieder mit BDSM-Bezug wie
Strangelove (1987) und
In Your Room (1993). Mit dem Lied
Sweet Sweet Gwendoline komponieren Die Ärzte im Jahr 1986 eine Hommage an die Kunstfigur
Sweet Gwendoline des Bondagekünstlers John Willie. Zwei Jahre später folgt das Lied
Bitte bitte, das Wünsche eines männlichen Sub beschreibt:
Ich bin nicht mehr zu retten / Peitsch mich aus, leg mich in Ketten / Ab heut gehör ich dir allein / … / Bitte, bitte, lass mich / Lass mich dein Sklave sein. In dem über siebenminütigen „Domina-Mix“, der im Jahr 1994 auf dem Best of
Das Beste von kurz nach früher bis jetze erschien, erläutert die befreundete Domina „Dominique“ BDSM-Begriffe. Das 1992 von den Nine Inch Nails veröffentlichte Lied
Happiness in Slavery leiht sich Titel und Refrain von dem von Jean Paulhan verfassten Vorwort zur
Geschichte der O. Die NDH-Band Rammstein kokettiert in ihren Liedern mehrfach mit einem BDSM-Bezug, so z. B. in
Bestrafe mich,
Bück dich und
Feuerräder (alle 1997) sowie
Ich tu dir weh (2009). Im Lied
Feuerräder wendet sich eine submissive Person an einen Top mit den Worten
Leg mir das Halsband um / Dann geh ich auf die Knie / Und fang zu bellen an / Der Schmerz ist schön wie nie.
Mit Umbra et Imago, Ordo Rosarius Equilibrio, Die Form, Genitorturers und Grausame Töchter gibt es aus dem Umfeld der Schwarzen Szene auch bekanntere BDSM-Konzeptbands, die in Bühnenshows BDSM-Elemente bis hin zu ganzen BDSM-Performances verwendeten. Der Schweizer Musiker Carlos Perón, der mit der Band Yello bekannt wurde, hat mit den sog. „Fetishsoundtracks“
Terminatrix (1993),
La salle blanche (1994),
La salle noire (1996) und
La salle violette (2002) mehrere BDSM-Konzeptalben komponiert.
Die folgende Liste zeigt, dass BDSM auch musikalisch im Mainstream angekommen ist:
Film und Fernsehen
Nachdem BDSM zunächst unterschwellig als Motiv in einigen Filmproduktionen auftauchte, wurden Anfang der 1960er Jahre bedeutende literarische Werke wie beispielsweise die
Die Geschichte der O und
Venus im Pelz zum Teil sehr explizit verfilmt. Spätestens mit der Verfilmung von
9½ Wochen wurde das Thema BDSM auch publikumswirksam und kommerziell erfolgreich breiten Zuschauerschichten nahegebracht, wobei hierbei auf eine ästhetische Massenkompatibilität geachtet wurde.
Seit den späten 1990er Jahren gelang es Filmen wie
Preaching to the Perverted und
Secretary, kommerziellen Anspruch und Authentizität miteinander zu verbinden. Mit der Entwicklung von dokumentarisch geprägten Produktionen wie
und
Wir leben … SM! entwickelte sich ein weiterer filmischer Zugang zur Thematik, der sich gezielt auch an breite Zuschauergruppen wendet.
Filme mit BDSM-Thematik wie beispielsweise
9 1/2 Wochen,
Tokio Dekadenz oder
Secretary werden mittlerweile regelmäßig im deutschen Fernsehen gezeigt. Seit 2001 gibt es mit der kanadischen Produktion
KinK erstmals auch eine eigenständige Fernsehserie, die BDSM zum Inhalt hat. Sie ist bisher in Deutschland nicht ausgestrahlt worden. Das Spektrum der Produktionen ist sehr groß und zeigt, dass BDSM-Themen mittlerweile fest im filmischen Mainstream verankert sind:
[Error: Could not resolve this table]Neben diesen eher ästhetisch orientierten Filmen existiert ein breiter Markt für sadomasochistische Pornografie in Form von Pornofilmen.
67 Der spanische Regisseur Jess Franco schuf als typischer Vertreter des Exploitation-Genres eine große Anzahl Filme, die unter anderem auf Werken des Marquis de Sade basieren und in Deutschland teilweise indiziert sind.
Marketing
Seit Anfang der 1990er Jahre werden Motive des BDSM immer wieder im Rahmen größerer Marketingkampagnen gezielt eingesetzt. Bekannte Beispiele im deutschsprachigen Raum sind Plakatmotive der Zigarettenmarken Camel und West, die ein in „typische“ Lederkleidung drapiertes Kamel, beziehungsweise eine Domina mit Peitsche zum Inhalt haben. Während West das damalige Motiv wegen „Verstoßes gegen die guten Sitten“ noch zurückziehen musste, fanden BDSM-Motive in den folgenden Jahren immer wieder Verwendung.
68 So bewarb beispielsweise im März 2007 die Modekette H&M den Verkauf einer von Madonna zusammengestellte Modekollektion mit einem Werbevideo im deutschen Fernsehen. Dieses zeigte die Künstlerin, die für die Verwendung sadomasochistischer Sujets wiederholt kritisiert wurde, als dominante Lifestyle-Ikone,
69 die einer unpassend gekleideten Schülerin unter dem Knallen ihrer Gerte Modeweisheiten wie „Don’t think it – you need to know it“ verpasst, um sie anschließend modisch komplett umrüsten zu lassen.
In Kanada präsentiert Mini 2005 die Winterausstattung des Mini-Coopers in Form einer interaktiven BDSM-Session, in der der User mit Unterstützung einer virtuellen Domina unterschiedlichste Schlagwerkzeuge auf dem Fahrzeug austesten kann und dabei die optionalen Sonderausstattungen erläutert bekommt. Der deutsche Dübelhersteller Fischer nutzt in einem persiflierenden Videoclip ebenfalls sadomasochistische Sujets zur Darstellung der Qualität seiner Produkte. In den USA tritt Anheuser-Busch als Sponsor der Folsom Street Fair auf,
70 und die Jeansmarke Diesel schaltete in den letzten Jahren wiederholt sadomasochistische Anzeigenmotive in Modemagazinen.
Die Markenanbieter persiflieren hierbei teilweise weitverbreitete Klischees.
Podcasts
Nachdem die unterschiedlichsten Möglichkeiten des Internets in den vergangenen Jahren immer wieder recht schnell aufgegriffen wurden, um Informationsangebote zum Thema BDSM bereitzustellen, werden seit Mitte 2005 zunehmend auch Podcasts angeboten, die den Schwerpunkt BDSM haben. Mit der zunehmenden Verbreitung von Videoplattformen wie YouTube finden sich auch auf diesen immer häufiger entsprechende Informationsangebote in Form selbstproduzierter Videoformate.
Literatur
Deutschsprachig
- Norbert Elb. SM-Sexualität. Selbstorganisation einer sexuellen Subkultur. Gießen. Psychosozial-Verlag. [Ohne Jahr]. ISBN 3-89806-470-0.
- Matthias T. J. Grimme. Das SM-Handbuch (11.). Hamburg. Charon-Verlag. [Ohne Jahr]. ISBN 978-3-931406-01-1.
- Arne Hoffmann. Der Kick im Kopf. Berlin. Schwarzkopf & Schwarzkopf. [Ohne Jahr]. ISBN 3-89602-455-8.
- Olaf May. Strafrecht und Sadomasochismus. Aachen. Shaker Verlag. [Ohne Jahr]. ISBN 3-8265-5595-3.
- Kathrin Passig, Ira Strübel. Die Wahl der Qual (2.). Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. [Ohne Jahr]. ISBN 978-3-499-62408-7.
- Thomas A. Wetzstein u. a.. Sadomasochismus. Szenen und Rituale. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt. [Ohne Jahr]. ISBN 3-499-19632-8.
Englischsprachig
- Dossie Easton, Janet W. Hardy. The New Bottoming Book. San Francisco. Greenery Press. [Ohne Jahr]. ISBN 1-890159-35-2.
- Dossie Easton, Janet W. Hardy. The New Topping Book. Oakland. Greenery Press. [Ohne Jahr]. ISBN 1-890159-36-0.
- Phillip Miller, Molly Devon. Screw the Roses, Send Me the Thorns: The Romance and Sexual Sorcery of Sadomasochism. Fairfield. Mystic Rose Books. [Ohne Jahr]. ISBN 0-9645960-0-8.
- Jay Wiseman. SM 101: A Realistic Introduction (2. überarb. u. erweiterte). San Francisco. Greenery Press. [Ohne Jahr]. ISBN 0-9639763-8-9.
Siehe auch
Weblinks
Aufklärungsseiten zum Thema- [http://www.datenschlag.org/ datenschlag.org] – Datenschlag, ältestes Aufklärungsprojekt
- [http://www.sm-outing.de/ SM-Outing.de] – Ratgeber in Sachen Outing und eventuell damit verbundener Probleme
Vereinigungen- [http://www.bvsm.de/ bvsm.de] – Bundesvereinigung Sadomasochismus e. V.
- [http://www.bdsm.at/ bdsm.at] – BDSM in Österreich
- [http://www.ig-bdsm.ch/ ig-bdsm.ch] – BDSM in der Schweiz
- [http://www.maydaysm.de/ maydaySM.de] – bietet Krisenintervention und Adressenvermittlung in Notfällen
- [http://www.smjg.org/ smjg.org] – SMJG e. V. (BDSM Jugendvereinigung bis 27 Jahre)
Englischsprachige Websites- [http://www.wipipedia.org/ wipipedia.org] – Ein Wiki-Projekt. Freie Enzyklopädie des BDSM und Fetischismus
Einzelnachweise
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