Das wichtigste Ergebnis der Recherchen für dieses Heft war die Erkenntnis, dass derzeit das System der Ausbildung in Psychologie in völliger Umgestaltung ist, nicht zuletzt im Hinblick auf die durch die Bologna Architektur der Bildung provozierte Einführung der Bakkalaureats Studien. Künftig soll das Bakkalaureat der erste akademische Grad sein, der nach drei Jahren Studium erworben wird, und es erhebt sich die Frage, welche Berufsberechtigung den Inhabern dieses akademischen Grades zuerkannt wird. Viele kompetente Mitglieder der Universitätsinstitute für Psychologie haben die Verfassung eines Beitrages abgelehnt mit dem Hinweis, dass alles im Fluss ist. Gerade aber eine solche Situation ist für den Berufsstand der Psychologen eine Gelegenheit, etwas zur Gestaltung der künftigen Ausbildung beizutragen, was umso wichtiger ist, als die Zuschreibung der Mitgliedschaft im BÖP über die abgeschlossene Ausbildung erfolgt.
Die Sicht der verschiedenen Institute
Der Paragraph 1 des Psychologengesetzes regelt den Zugang zur professionellen Ausübung der Psychologie über den akademischen Grad. Es geht also um die Keimzellen aus denen die künftigen Psychologinnen und Psychologen wachsen. Kompliziert wird die Situation durch den Wunsch der Sigmund Freud Universität für Psychotherapie auch eine Psychologen Ausbildung anzubieten. Umso höher einzuschätzen ist daher die Bereitschaft jener, die sich in diesem Heft zu dem Thema „Ausbildung in Psychologie“ äußern. Sie haben den Mut einen derzeit laufenden Prozess offen zu legen mit dem Risiko, dass es im Endergebnis vielleicht anders ist. Diese Bereitschaft zur Diskussion ist besonders zu würdigen. Es geht dabei um die Beiträge von Allesch und Baumann, Bänninger und Huber, Laschenko und Slunecko sowie Przyborski und Benetka. Allesch und Baumann stellen für die psychologische Ausbildung das Studienziel Expertise heraus und fragen dann nach der Realität der österreichischen Studiensituation. Beide gehen von der Situation in Salzburg aus. Aus der Sicht in Innsbruck ist der Bericht von Bänninger und Huber über das Psychologiestudium, wobei sie für eine realistische Hochschulpolitik plädieren. Przyborski und Benetka von der Universität Wien ergänzen die Situationsdarstellung mit einer Darstellung der Bakkalaureatsstudien in Psychologie. In diesen Zusammenhang passt die „declation on european standards of education and training in professional pschology“ der EFPA, die als europaweiten Titel das EuroPsy propagiert und die selbständige Ausübung der Psychologie als Beruf erst mit dem Master of Art/Magisterium/ Diplom beginnen lässt.
Studierende und Nicht-PsychologInnen
Laschenko und Slunecko fragen nach den Motiven aus denen heraus Psychologiestudenten das Propädeutikum beginnen und Oberlehner befasst sich mit den Motiven für den Abbruch einer psychologischen Beratung oder Psychotherapie. Mit der Weitergabe von Psychologie an Nichtpsychologen beschäftigt sich der Artikel von Hausmann, wobei er speziell auf die psychologische Ausbildung von Pflegeberufen eingeht. Dies ist nur ein Beispiel für sehr viele ähnlich gelagerte Situationen, in denen andere Berufe als Psychologen eine Ausbildung in Psychologie erfahren. Es gibt allein mehr als einhundert gesetzliche Bestimmungen, welche die Ausbildung in Psychologie für andere Berufe regeln. Als wichtig hat sich dabei der § 1 des Psychologengesetzes erwiesen, da er regelt, wer sich Psychologe nennen darf. Für die Ausbildung in Psychologie dürfen meist nur Personen herangezogen werden, die den § 1 Psychologengesetz erfüllen. Dort, wo dies noch nicht im Gesetz so steht, sollte im Rahmen einer Novellierung des Psychologengesetzes eine Anpassung erfolgen. Sehr zu bedauern ist es, dass kein Beitrag zur Ausbildungssituation aus der Feder von Studierenden zu Stande kam, wiewohl er sehr angestrebt wurde. Vielleicht lässt sich das später nachholen. Ulrike Kipman stellt die Vorurteile gegenüber Frauen auf den Kopf: man sagt den Frauen zu Unrecht nach, sie hätten keine „Ader“ für Mathematik und Naturwissenschaften; denn am 26. Internationalen Kongress für Angewandte Psychologie in Athen wurde berichtet, dass der auf Männer zugeschnittene Unterrichtsstil der Lehrer in diesen Bereichen dazu führt, dass Frauen weniger Interesse für diese Materien entwickeln. Es müssten sich also die Lehrer ändern, damit Frauen mehr Bildungschancen erhalten. Kipman schlägt folgerichtig die Gründung einer Sektion „Mathematische Psychologie“ vor. Alle Interessenten sind eingeladen sich mit ihr betreffs Gründung einer solchen Sektion in Verbindung zu setzen. Näheres in ihrem Beitrag.
Grund zu(r) Freud(e)
Dieses Heft wird aber auch noch bereichert durch das Begehen zweier Jubiläen: es gilt des 150. Geburtstages von Sigmund Freud zu gedenken, was unter das Motto gestellt wurde „was Freud uns heute?“. Freud war zwar Psychiater, hat aber Psychologie und Psychotherapie wesentlich beeinflusst. Die Beiträge sollten zwar über das Jahr verteilt in den diversen Nummern erscheinen, doch konnten die Autoren sie nicht früher beisteuern. So kommt die Geburtstagsgratulation etwas im Nachhinein, dafür aber geballt.
Das zweite Jubiläum gilt der Zeitschrift „Psychologie in Österreich“ selbst: sie wurde im Juli 2006 25 Jahre alt! Dies ist natürlich Anlass Werdegang und Zustand der Zeitschrift zu betrachten. Karlusch und Zuzan waren maßgeblich an der Gründung und Gestaltung der Zeitschrift beteiligt und verewigen ihre Erinnerungen für die interessierte Nachwelt… Abschließend sind Sie liebe Leser eingeladen, Ihre Meinung über „Psychologie in Österreich“ in Leserbriefen mitzuteilen!
Dr. Wolf-Dietrich Zuzan
http://www.boep.or.atQuelle: Dr. Gerald Kral